Die wichtigsten Erkenntnisse aus Glasgow
- Das Pariser Klimaabkommen ist jetzt, sechs Jahre nach der Verabschiedung, vollständig ausgelotet. Die Regeln für Klimaschutz stehen nun fest.
- Diese COP hat klare Signale gesendet, die entscheidend für die internationale Klimapolitik aber vor allem für unser aller zukünftiges Handeln sind. Zum ersten Mal in der Geschichte internationaler Klimaverhandlungen haben alle Staaten die Ursache des Klimawandels anerkannt: das Verbrennen fossiler Energie. Der Glasgow Klimapakt fordert das Runterfahren der Kohlenutzung.
- Eine drastische Reduktion von Methanemissionen bis 2030 wurde ebenso beschlossen wie eine breite Erklärung zum Erhalt und Schutz der Wälder abgegeben.
- Klimaneutralität, auf Ebene von Staaten ist nun Mainstream!
- Am 1,5-Grad-Ziel wird festgehalten
- Die Rolle und Wichtigkeit des Privatsektors (Unternehmen und Privatpersonen) wurde ein weiteres Mal bestätigt. Diese zusätzlichen freiwilligen Aktionen liefern entscheidende und vor allem kosteneffiziente Beiträge zum Erreichen der Ziele
Von Franziska Heidenreich und Frank Helbig
Die 26. Conference of Parties (COP) der UN-Rahmenkonvention für Klimawandel (UNFCCC) war eine besondere Veranstaltung unter besonderen Bedingungen - um nicht zu sagen, Einschränkungen. Wir sprechen von einer zweiwöchigen Konferenz unter Covid-Auflagen, die dennoch mit einem Rekord von über 40.000 angemeldeten Teilnehmenden stattfand. Das öffentliche Interesse am Klimaschutz, manifestiert durch den steigenden Druck aus der Zivilgesellschaft (insbesondere der Jugend der Welt) sowie aus der Wirtschaft, welche klare Regelungen und Rahmen verlangt, haben die COP26 deutlich geprägt. Man spürte dies in den Gängen zwischen den Plenarsälen und Meetingräumen der Delegierten. Der Wille zur Zusammenarbeit war greifbar, ebenso wie der Wille und der Druck, kein weiteres Jahr verstreichen zu lassen, ohne dass man sich zumindest auf die Rahmenbedingungen für Klimaschutz verständigt und den längst überfälligen Artikel für marktbasierten Klimaschutz festlegt.
Und nun? Selbst wenn alle auf dieser COP verlautbarten Ziele eingehalten würden – und die Vergangenheit zeigt, dass es nicht wirklich Grund für uneingeschränkten Optimismus gibt –, sind wir nach Glasgow immer noch fernab vom 1,5°-Ziel. Die Klimafinanzierung, unser in Anbetracht der Zeit nur geringes verfügbares CO2-Restbudget und die immer noch gewaltige Aufgabe der Transformation unserer Volkswirtschaften: Es gibt berechtigte Gründe, warum Ankündigungen und Beschlüsse von Glasgow im Nachhinein sehr kritisch gewertet wurden und Enttäuschung vielerorts vorherrschte. Ein großer Befreiungsschlag blieb aus.
Wer dies aber erwartete, hatte die Latte von vornherein zu hoch gelegt. Für einen Befreiungsschlag ist dieses Instrument globaler Klimapolitik nicht geschaffen. Die COP26 war eine Arbeitskonferenz, bei der das Sekretariat (UNFCCC) sowie die teilnehmenden Staaten ihrem klar definierten Mandat und entsprechenden Arbeitsplänen nachgehen. Eine Konferenz vieler kleinerer Schritte, Maßnahmen und Abkommen. Die aus myclimate-Sicht wichtigsten dieser Schritte sind:
Regeln für marktbasierten Klimaschutz (Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens)
Das Themenfeld der marktbasierten Ansätze, welches vor allem in dem Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens definiert ist, wurde innerhalb der letzten Jahre verhandelt. Bei den letzten beiden Klimakonferenzen waren diese Verhandlungen sehr zäh verlaufen. Erst dieses Jahr konnten sich die Mitgliedsstaaten mit Furore und diplomatischem Geschick auf den letzten Metern auf einen Text einigen. Gemessen am Maßstab für internationale Klimaverhandlung kann man dies beinah als Sternstunde werten! Die Regeln zur Umsetzung dieses wichtigen Bausteins des Pariser Klimaabkommens stehen nun, sechs Jahre nach der Verabschiedung, fest. Nun liegt es an den Staaten, Unternehmen, der Gesellschaft – kurz an uns allen – gemäß dieser Vorgaben und anhand des stetig wachsenden Wissens zu handeln.
Enthusiastische Menschen und Unternehmen können hierfür wertvolle Beiträge leisten. Denn nicht zuletzt wurde für diese Gruppen auf dieser COP bei den Diskussionen um den Artikel 6 Rollen und Regeln im Rahmen des Pariser Klimaabkommens formalisiert. Was heißt das für freiwilligen Klimaschutz und den Ansatz der Kompensation?
Rolle des Privatsektors im freiwilligen CO2-Markt
Der freiwillige Klimaschutz in Form von CO2-Kompensationen und der Unterstützung von Reduktions- oder Senkenprojekten hat so viel bewirkt wie nie zuvor (siehe den aktuellen Report „State of the Voluntary Carbon Markets 2020“). Auch der aktuelle Emissions Gap Report des UN-Umweltprogramms (UNEP) bestätigt dies deutlich. Das ist kein „schöner Nebeneffekt“, sondern unfassbar wichtig. Denn, selbst wenn alle die Zusagen und Absichten auf staatlicher bzw. internationaler Ebene eingehalten würden, stehen immer noch weit weniger Zeit und Finanzen für das Klima zur Verfügung als es braucht, um die gesteckten Ziele zu erreichen.
Daran ändert auch nicht was ein wichtiges Sprachrohr des Freiwilligenmarktes zu Beginn der COP26 verlautete. Mark Carney, UN-Sonderbeauftragter für Climate Action und Finanzen, verwies auf das Wachstum der Glasgow Financial Alliance for Net-Zero. Die Allianz umfasst aktuell mehr als 450 Firmen aus der Finanzwelt mit einem Anlagewert von ca. 130 Billionen USD, welche sich den Zielen des Paris Klimaabkommens verschrieben haben. Das heißt Netto-Null bis zur Mitte des Jahrhunderts. Der Privatsektor wird sich seiner Rolle und seines Hebels mehr und mehr bewusst. Es gilt nun, diese Rolle in integre, qualitätsgesicherte Maßnahmen zu übersetzen. Dabei ist ganz klar, dass diese Mittel nicht zum bloßen Aufhübschen der Klimabilanzen vor Ort zur Verfügung stehen, sondern dass ein jeder Marktteilnehmer auch innerhalb der eigenen Lieferketten keine Anstrengungen scheut, um zu vermeiden, was zu vermeiden ist, und um durch das Bepreisen von Emissionen, die sich (noch) nicht vermeiden lassen, und die Unterstützung wirksamer Projekte Verantwortung zu übernehmen.
Was heißt das konkret für die Kompensation und den freiwilligen Klimaschutz?
Die unverzichtbaren Beiträge der Wirtschaft werden gerade von Teilen der Zivilgesellschaft und der „Klimajugend“ miss- oder gänzlich falsch verstanden. Greta Thunberg bezeichnete marktbasierte Ansätze während der COP als „Greenwashing“. Hier besteht starker und gemeinsamer Kommunikationsbedarf. Mit Integrität, Transparenz und klaren Botschaften müssen sich sowohl Unternehmen als auch Unterstützende wie myclimate noch stärker an die Gesellschaft wenden. Klar ist, dass nur dank Marktmechanismen die dringend und zeitkritisch benötigten Emissionsreduktionsziele zu niedrigeren Kosten erreicht werden können. Kohlenstoffmärkte liefern Klimaschutz und können für ambitioniertere Klimaziele sorgen – WENN es klare Regeln und Transparenz gibt!
Vor zehn Jahren zeichnete das Label „klimaneutral“ besonders engagierte Unternehmen aus. Heute ist es im „Mainstream“ angekommen. Folgerichtig mehren sich auch kritische Fragen, die zum Teil durchaus ihre Berechtigung haben. Die kommenden Jahre werden hier von uns allen mehr Anstrengungen abverlangen. Regeln, auf die man sich im freiwilligen Markt nun berufen kann, werden diese Aufgabe vereinfachen.
Weitere Ergebnisse und Eindrücke der COP26
Diese Konferenz wurde von einem Meer großer Ankündigungen umspült. Da waren zum Beispiel die Erklärung für den Erhalt und Schutz der Wälder, der Global Methane Pledge, der verspricht, die Methanemissionen (als Treibhausgas 80-mal klimawirksamer als CO2) bis 2030 um 30 Prozent zu senken oder die Erklärung für einen Stopp der Neuzulassungen von Verbrennungsmotoren ab 2035. Es gab eine Vielzahl solcher Allianzen, Ankündigungen und Vorhaben.
Länder wie Indien, die Vereinigten Arabischen Emirate haben ihre Netto-Null-Ziele angekündigt. Klimaneutralität auf Ebene von Staaten ist nun Mainstream! Die USA und China verständigten sich auf mehr Zusammenarbeit für den stetigen Rückbau von Kohle.
Dies sind wichtige Initiativen, welche uns jedoch am ehesten als Stimmungsbild dienen für den Geist dieser Veranstaltung. Die Teilnehmenden wollten liefern. Das geht in einem solchen Rahmen am besten durch Allianzen und Zielankündigungen. Es sei hier nur am Rande bemerkt, dass die Weltgemeinschaft seit der Industrialisierung nun zum ersten Mal an dem Punkt steht, dass wir auf eine Erderwärmung von unter 2 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter bis 2100 zusteuern. Wenn, und das ist entscheidend, alle Ankündigungen auch umgesetzt werden. Natürlich können zwischen Worten und Taten Welten liegen, doch überhaupt erst mal die Worte verschriftlicht zu haben, ist mehr als ein Anfang. Ja, dieser Schritt kommt spät, unnötig spät, aber für den Klimaschutz ist es eben noch nicht zu spät.
Was lief sonst noch?
Was neben den Verhandlungen der Delegierten auf den vielen so genannten Side-Events geschieht, ist für beobachtende Organisationen wie myclimate aus vielerlei Hinsicht spannend. Länder, nationale und internationale Organisationen stellen dort ihre Ansätze für Klimaschutz vor. In den Pavillons wird eine Vielzahl an Podiumsdiskussionen, Vorträgen und Workshops durchgeführt, die den Besuchenden auf den aktuellen Stand des Wissens im Bereich von Minderungs- und Anpassungsstrategien bringen.
In Glasgow standen dabei vor allem die Rolle der Natur, der Jugend und der indigenen Bevölkerung im Fokus. Es wurde die Rolle natürlicher CO2-Senken wie Wälder und Pflanzenkohle ebenso diskutiert wie über die Möglichkeiten von technischen „Carbon Capture and Storage“. Wie lassen sich vermiedene Emissionen aus Moorprojekten in zukünftige Anstrengungen für mehr Klimaschutz einordnen? Heftig debattiert wurde, was als „Netto-Null“ (gemäß der Science Based Target Initiative), klimaneutral, kohlenstoffneutral oder klimapositiv gilt. myclimate hat sich auf einer Vielzahl dieser Veranstaltungen und bei den Diskussionen eingebracht. So konnten wir eine Fülle von neuen Ideen und Anregungen aufnehmen, damit wir zusammen mit Ihnen auch in Zukunft die zielgerichteten Maßnahmen dort umsetzen, wo sie die größte Wirkung erzielen.
Fazit: Eine COP der Signale
Was hat die diesjährige COP nun wirklich erreicht? Sie hat deutliche Signale gesetzt. Sie hat Ziele erreichbar gehalten und die Ambitionen gestärkt. Die Klimakonferenz hat gezeigt und deutlich ausgesprochen, dass der Privatsektor so stark gebraucht wird wie nie zuvor.
Nun gilt es zu liefern und die Signale in die Tat umzusetzen. Denn auch wenn wir viele positive Eindrücke mitnehmen und uns einer allgemeinen „Kakophonie“ nicht anschließen wollen, verschließen wir die Augen nicht vor der Realität. Die große Transformation zu „Netto-Null“ liegt noch vor uns. Reicht der Glasgow Climate Pact für die Gestaltung dieser gewaltigen Aufgabe? Nein, tut er nicht. Mit „Greenwishing“, also einem Fokus aus Politik und NGO-Welt auf vage, vielleicht wünschenswerte, aber nicht realisierbare Ziele und Gesellschaftsvorstellungen, kommt der Einsatz für den Klimaschutz aber (?) auch nicht weiter.
Deshalb ist es umso wichtiger, dass neben der Klimakonferenzen der UN der Privatsektor Klimaschutz vorantreibt – ambitioniert, mit persönlicher Verantwortung, mit einer passenden Incentivierung und vor allem schnell. Manche sagen, wir befinden uns bereits nach dem Peak der globalen Emissionen. Jetzt heißt es weiter, weiter – gemeinsam auf in Richtung Netto-Null!
Aktiv werden – konkrete Möglichkeiten für Klimaschutz mit myclimate:
- Als Unternehmen Emissionsreduktionsziele festlegen mit Science-based-targets (SBT)
- Als Privatperson oder Unternehmen die unvermeidbaren Emissionen kompensieren
- Als Lehrperson bei Energie- und Klimapioniere mitmachen
- Als Unternehmen eine umfassende Klimastrategie erarbeiten
Weitere Informationen: