Bodenerosion und Humusverlust sind weltweit ein großes Problem. Die landwirtschaftlichen Flächen verlieren durch intensive Bewirtschaftung kontinuierlich an Humusgehalt, was ihre Fruchtbarkeit verringert. Auch in biologisch bewirtschafteten Böden ist der Nährstoffgehalt insgesamt abnehmend, weil die Maßnahmen für Humuserhalt und langfristigen Humusaufbau kosten- und zeitintensiv sind. Hier setzt das gemeinsame Programm «Fruchtbare Böden als natürliche CO2-Senken» von der Bio-Stiftung Schweiz und myclimate an, das mit Beratung, Austausch und Förderung die humusaufbauenden Maßnahmen unterstützt. Rund sieben Jahre wird das Pilotprogramm laufen, das 2018 initiiert wurde.
Wie alle myclimate Klimaschutzprojekte wird auch dieses Programm von uns eng begleitet, um den Status-Quo sowie Erfolge und Herausforderungen der Projektaktivitäten zu besprechen. In diesem Jahr waren es zwei deutsche Betriebe, die unsere Fachkollegen besucht haben:
Das erste Ziel ist ein Demeter Hof in Baden-Württemberg. Um den Hof von Steffen Hofmann zu erreichen, geht die Reise für uns zunächst bis nach Heilbronn. Von dort aus sind es ca. 60 km bis zu Hofmanns Familienbetrieb, der neben etwa 200 Hektar Agrarland auch um die 100 Milchkühe und einige Hühner umfasst. Vor Ort treffen wir auf den Landwirtschaftsexperten Dr. Ulrich Hampl von der Bio-Stiftung Schweiz, der zweimal im Jahr alle 29 teilnehmenden Betriebe besichtigt.
Drei Generationen der Familie Hofmann wohnen gemeinsam auf dem Hof. Seit 1986 wird dieser bereits biodynamisch geführt. Einer der regionalen Besonderheiten ist der Anbau und Verkauf von Grünkern. Dabei handelt es sich um Dinkel, der noch vor Abschluss des Reifeprozesses geerntet und über Holzfeuer gedarrt wird. Beim «Darren» werden Lebensmittel mithilfe von Hitze getrocknet und so für die Lagerung haltbarer gemacht. Der so entstehende „Fränkische Grünkern“ ist eine geschützte Spezialität, auf die der Hof stolz ist.
Heute schauen wir uns an, wie das Bodenfruchtbarkeits-Programm hier umgesetzt wird. Das Programm gehört zu den naturbasierten Klimaschutzmaßnahmen und unterstützt Biohöfe in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ziel ist eine höhere Einspeicherung von Kohlenstoff im Boden. Der Kohlenstoff stammt aus der Luft, welche die Pflanzen durch Photosynthese entnehmen und im Boden durch ihre Wurzeln und Mikroorganismen speichern. Das ist nicht nur wichtig für den Klimaschutz, sondern auch für die regionale Klimaanpassung und die Bodenfruchtbarkeit. Denn ein gesunder Boden ist vor allem auch bei Wetterextremen wie Starkniederschlägen oder Trockenperioden resilienter, also widerstandsfähiger.
Um den Gehalt von Kohlenstoff im Boden zu erhöhen, muss der Humusgehalt des Bodens aufgebaut werden. Dazu gibt es zahlreiche Maßnahmen. In diesem Programm werden zwei Maßnahmen bilanziert:
Wir starten den Hofbesuch mit einem Gang auf die Felder. Landwirtschaftsexperte Ulrich Hampl nimmt „Spatenproben“ auf einigen der Projektflächen. Anhand der Bodenbeschaffenheit lässt sich bereits viel zum Humusgehalt und der Bodenfruchtbarkeit sagen. Bereits seit 30 Jahren führt der Fachmann diese einfache und gleichzeitig sehr aussagekräftige Methode durch. «Ich verstehe bis heute nicht, warum Traktoren nicht mit einer Halterung für einen Spaten ausgestattet werden. Damit könnte ein Landwirt jederzeit einfach und schnell die Bodenbeschaffenheit prüfen und entsprechend fundierte Entscheidungen für die Bewirtschaftung treffen», kommentiert Hampl seine Aktivitäten auf dem Feld. Die regelmäßigen und anschaulichen Spatenproben werden durch Bodenproben ergänzt, die vor und am Ende der gesamten Projektlaufzeit entnommen werden. So wird der höhere Kohlenstoffgehalt im Boden plausibilisiert.
Wie unterschiedlich der Boden bereits auf nur einigen Quadratmetern ist, wird schnell klar. Auf den Feldern sehen wir die ausgebrachten Gründüngungen. Bei einem Feld wurden dazu Mischsaaten mit Wicke, Erbsen und Sonnenblumen ausgebracht. Bereits beim zweiten Feld kommen wir auf eine der Herausforderungen im Projekt und in der Landwirtschaft zu sprechen. Der Landwirt säte Ackerbohnen aus. Doch wegen des schlechten Wetters sind die Samen nicht angewachsen. Hofmann entschied daraufhin erneut Samen zu kaufen und zusätzlich Senf als Gründüngung auszubringen. Er hatte Erfolg! Dadurch kann diese Maßnahme auf der Fläche in diesem Jahr noch für das Projekt bilanziert werden.
«Das Wetter spielt eine entscheidende Rolle. Wenn es zu viel oder zu wenig regnet oder aber die Temperaturen zu stark schwanken, kann das einen Ernteausfall oder aber eine Verringerung des Ertrags bedeuten. Es ist immer ein gewisses Lotteriespiel», erklärt Hofmann.
Die zweite Aussaat war sehr wichtig für das Projektziel. Jedes Jahr wird im Gespräch mit den Landwirten evaluiert, wie viel Hektar Land bei der Berechnung der CO2-Speicherleistung berücksichtigt werden können. Sollte der Landwirt beispielweise aufgrund der Fruchtfolge oder aber der Bodenbeschaffenheit doch zum Pflug greifen müssen, können diese Flächen in dem Jahr nicht bei der Berechnung berücksichtigt werden. Trotzdem erhält der Betrieb eine Vergütung, falls die Maßnahmen umgesetzt wurden und die Teilnahmekriterien erfüllt bleiben. Mit der gesicherten Finanzierung wollen die Bio-Stiftung Schweiz und myclimate den engagierten Landwirt*innen den Rücken freihalten und Risiken minimieren.
Nach etwa zwei Stunden endet unser erster Hofbesuch. Nur 40 km weiter werden wir bereits auf dem Haaghof von Walter Kress erwartet. Er betreibt seit 43 Jahren einen ökologischen Landbau. Auf seinem Hof fanden schon viele Praxisversuche statt. Als Maschinenbauer war Kress Pionier in der Technikentwicklung für die ökologische Bewirtschaftung, dessen Ziel die Reduzierung der Bodenbeeinträchtigung durch Maschinen im Landbau ist.
Seine Motivation für die Teilnahme am Programm ist besonders der Austausch mit anderen Landwirt*innen. Jedes Jahr gibt es Treffen für alle Teilnehmer*innen. Dabei werden Erfolge und Herausforderungen diskutiert.
«Entscheidend ist, dass der Mensch neue Impulse bekommt. Nur durch den Austausch können wir voneinander lernen und neue Wege in der Landwirtschaft beschreiten», betont Kress.
Sein Ziel ist unter anderem die Weiterentwicklung des Zwischenfruchtanbaus.
Auf seinen 6 Hektar Land versucht er immer wieder neue bzw. variierende Anbaumethoden und sammelt dadurch wichtige Erfahrungen, die er mit den anderen Landwirten teilt. «Dadurch, dass mein Hof klein ist, kann ich mir mehr Risiken erlauben als ein größerer Betrieb, für den ein Ernteausfall oder schlechte Erträge einen sehr viel größeren Schaden bedeuten.» Der Haaghof ist ein Familienbetrieb. Über die Jahre mussten mehr und mehr gepachtete Flächen abgegeben werden. Ein Ankauf neuer landwirtschaftlichen Flächen war rund um den Hof nicht möglich, denn sie waren schlicht ergreifend nicht vorhanden. Dadurch musste die Familie schon vor einiger Zeit ein zweites Standbein aufbauen.
Wir beenden unseren Besuch mit einem Rundgang durch die Scheune. Kress zeigt uns seine Maschinen. Darunter sind auch selbst entwickelte Roll- und Fingerhacken, die heute zum Standard in der Landwirtschaft geworden sind. «Wir entwickelten die Maschinen selbst und verkauften sie über die Firma Kress & Co an Landwirte.», erzählt der innovative Landwirt über seine Arbeit.
Auf seinem Hof konnten alle Projektziele in diesem Jahr erreicht werden. Bei Kaffee und Kuchen in seinem Haus reden wir noch über die Entwicklungen und seine umfassenden Erfahrungen aus über 30 Jahren ökologischer Landwirtschaft.
Am Ende des Tages fahren wir mit vielen Impressionen und sehr viel mehr Wissen wieder zurück. Das waren Projektbesuche, die in Erinnerung bleiben.
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