«Climate Talk mit Louisa Schneider»

In unserer Interviewreihe «Climate Talk» sprechen wir mit Menschen, die sich leidenschaftlich für den Klimaschutz engagieren und zum Umdenken inspirieren. Louisa Schneider gibt uns Einblicke in ihren Weg zum Klimajournalismus, ihre Motivation und wie sie es schafft, trotz der Herausforderungen weiterhin hoffnungsvoll zu bleiben. Wie beeinflussen persönliche Erfahrungen ihre Arbeit? Welche Rolle spielt die mediale Berichterstattung in der Klimadebatte? Ein Gespräch über die Kraft der Gemeinschaft, Resilienz und die Bedeutung klarer Verantwortlichkeiten in der Klimadebatte.

©Oliver Matlok

Wie bist du zum Klimajournalismus gekommen?

Ich habe schon früh eine enge Verbindung zur Natur entwickelt, vor allem durch Erlebnisse wie Waldspaziergänge mit meinem Großvater. Während meines Studiums der Medienwirtschaft in Stuttgart, hatte ich ein Modul, das mich sofort faszinierte: «Journalistik». Ich liebe es mit Menschen zu sprechen, ihre Geschichten zu erfahren, einen tieferen Einblick in ihr Leben zu bekommen und so hinter die Kulissen zu schauen. Ein entscheidender Moment für meine Laufbahn als Klimajournalistin war die Aartalflut im Juli 2021, die direkt meine Heimat traf. Diese Naturkatastrophe machte mir bewusst, dass die Klimakrise nicht irgendwann in der Zukunft, sondern bereits hier und jetzt Realität ist. Diese Flut hat so viele Häuser und Brücken mit sich gerissen und auch so viele Menschenleben. Das war mein persönlicher Weckruf. Seitdem habe ich mich dem Ziel verschrieben, Menschen über die Klimakrise aufzuklären und darüber zu berichten – sei es auf Social Media, auf klassischen journalistischen Plattformen oder in direkten Gesprächen. Ich nutze jede Möglichkeit, um auf dieses drängende Thema aufmerksam zu machen.

 

Was inspiriert dich bei deiner täglichen Arbeit?

Was mich täglich inspiriert, ist die Kraft der Gemeinschaft. Es fasziniert mich immer wieder, wie viele Menschen sich aktiv für den Klimaschutz einsetzen, zusammenhalten und trotz wiederkehrender Diskussionen und Auseinandersetzungen immer erfolgreicher werden. Ich bin überzeugt, dass echte Veränderung beginnt, wenn wir das Potenzial erkennen, das in unserer gemeinsamen Anstrengung steckt – dann beginnt echte Transformation.
Wir sehen Beispiele dafür überall – selbst in kleinen, unerwarteten Geschichten. Ein aktuelles Beispiel ist der Widerstand gegen die Gasbohrungen vor der Nordseeinsel Borkum. Dieses Thema spielte zunächst keine Rolle in der Politik. Doch plötzlich versammeln sich Hunderttausende, um klarzumachen: Gasbohrungen gehören im 21. Jahrhundert der Vergangenheit an. Auf einmal steht das Thema wieder ganz oben auf der politischen Agenda und wird ernsthaft diskutiert.
Ähnlich sieht man es beim vorgezogenen Kohleausstieg, der nun acht Jahre früher stattfinden soll – statt 2038 schon 2030. Das ist ein direktes Ergebnis der Klimabewegung, die durch den Zusammenhalt vieler Menschen erreicht wurde. Diese Stärke der Gemeinschaft und der unermüdliche Einsatz so vieler inspiriert mich und treibt mich in meiner Arbeit an.

 

Kippende Ökosysteme, fortschreitendes Artensterben – Hast du eine Strategie, um dich nicht entmutigen zu lassen?

Meine Strategie, besteht darin, einfach immer weiterzumachen. Ich spreche gerne von einem «Krisenmuskel», den man – ähnlich wie die Rückenmuskulatur – trainieren muss, um in schwierigen Zeiten stark zu bleiben. Diese Resilienz baut sich durch kontinuierliche Arbeit auf. Je aktiver ich werde, sei es in meiner journalistischen Berichterstattung, als Moderatorin oder Storytellerin, desto mehr spüre ich, wie ich gestärkt werde – durch die Gemeinschaft und das Feedback der Menschen, mit denen ich arbeite.
Die beste Strategie, um mit Krisen umzugehen, ist Selbstermächtigung. Es geht darum, die Kontrolle zu übernehmen und aktiv etwas zu bewegen. Wenn man anfängt, sich selbst zu engagieren, motiviert man auch andere. Es ist wie bei einem Dominostein, der andere anstößt und so eine Kettenreaktion auslöst. Gemeinsam entsteht eine unaufhaltsame Bewegung, die uns alle stärkt.

 

In deinem neuen Projekt mit greenpeace «Grad° jetzt! – gegen die Angst» sprichst du darüber, wie wichtig es ist, den Menschen die Angst vor dem Klimawandel zu nehmen. Wie kann es gelingen Hoffnung zu vermitteln, ohne die Dringlichkeit zu relativieren?

Es ist wichtig, auf die extremen Auswirkungen der Krise und die Lebensrealitäten der Betroffenen hinzuweisen, aber auch auf die tieferliegenden Ursachen der Klimakrise wie den Kapitalismus, Kolonialismus, das Patriarchat und andere unterdrückende Systeme. Wenn wir die Wurzeln der Krise ansprechen und klar benennen, wer wirklich in der Verantwortung steht, dann entsteht Hoffnung.
Denn es sind nicht alle Menschen gleichermaßen verantwortlich. Über 71 % der weltweiten Treibhausgasemissionen gehen auf die 100 größten Konzerne zurück, und das reichste 1 % der Weltbevölkerung – die durch klimaschädliche Industrien zu Multimilliardären geworden sind – trägt ebenfalls einen erheblichen Anteil dazu bei. Wenn wir es schaffen, diese Akteure zur Verantwortung zu ziehen, können wir echte Veränderung bewirken. Häufig wird die Schuld hin- und hergeschoben, und der Fokus auf individuelle CO₂-Fußabdrücke lenkt von den Hauptverantwortlichen ab – eine Strategie, die von Konzernen wie BP entwickelt wurde, um die Diskussion zu verzerren.
Wenn wir jedoch klar aufzeigen, wer verantwortlich ist, und konkrete Schritte zur Veränderung vor Augen führen, können wir auch Hoffnung vermitteln. Es geht darum, eine Vision für eine gerechtere, lebenswerte Zukunft zu schaffen. Wenn wir uns bewusst machen, was wir verhindern wollen und worauf wir hinarbeiten, dann entsteht echte Zuversicht. Genau das wollten wir mit dem Projekt erreichen: die globale Dimension der Klimakrise verdeutlichen, Verantwortlichkeiten aufzeigen und zugleich ein hoffnungsvolles Bild einer besseren Zukunft malen. Ich glaube, das ist uns mit der Show, dem Buch und dem gesamten Projekt gelungen.

 

Du hast im Rahmen dieses Projekts auch die fünf sogenannte Klimakipppunkte auf unserem Planeten besucht: Amazonien, Bangladesch, Senegal, Kanada/Alaska, Grönland/arktischer Ozean und Pazifik. Was sind für dich die größten zu überwindenden Hürden, um Herausforderungen – wie Artenkrise und die Kippunkte von Ökosystemen – zu bewältigen oder zu vermeiden?

Die größten Herausforderungen bei der Bewältigung der Klimakrise liegen darin, die Hauptverantwortlichen klar zu benennen und deren Einfluss zu minimieren. Fossile Konzerne und ein ungerechtes globales Wirtschaftssystem, das auf Kapitalismus und Kolonialismus fußt, verhindern oft den nötigen Wandel. Diese Unternehmen blockieren erneuerbare Energien und halten an klimaschädlichen Geschäftsmodellen fest. Eine zentrale Hürde besteht darin, diese Machtstrukturen aufzubrechen und die Politik in die richtige Richtung zu lenken.
Ein weiteres großes Hindernis ist die Spaltung der Gesellschaft. Oft werden wir durch Schuldzuweisungen oder interne Konflikte voneinander getrennt. Gerade jetzt müssen wir solidarisch handeln und gemeinsam die Verantwortung der fossilen Industrien einfordern. Es braucht eine engagierte, demokratische Gesellschaft, die Ressourcen und Macht umverteilt, um in den Ausbau erneuerbarer Energien und den Schutz vor den Folgen des Klimawandels zu investieren.
Jeder von uns kann etwas beitragen, indem wir bspw. unser Geld von Banken, die fossile Projekte finanzieren, zu nachhaltigen Alternativen verlagern. Die De-Investment-Bewegung zeigt bereits weltweit Erfolge. Auch Klimaklagen spielen eine wichtige Rolle, wie das Beispiel der «Omas for Future» in der Schweiz zeigt, die erfolgreich für den Klimaschutz geklagt haben. Der rechtliche Druck auf Industrien und Regierungen kann ein entscheidender Hebel für echte Veränderung sein.

 

Hat sich deine Arbeit als Journalistin und Aktivistin durch deine Erfahrungen in dem Projekt verändert?

Ja, meine Arbeit als Journalistin und Aktivistin hat sich durch dieses Projekt grundlegend verändert. Ich bin motivierter und intensiver in meiner Arbeit geworden, weil ich erkannt habe, dass es möglich ist, eine bessere Welt zu schaffen. Überall auf der Welt sehe ich Menschen, die trotz der verheerenden Auswirkungen der Klimakrise, sei es durch Überschwemmungen, Dürren oder Stürme, resilient und solidarisch zusammenstehen, anstatt sich auseinander zu dividieren. Das gibt mir Hoffnung, und diese Hoffnung trage ich weiter – in meinem Buch, meiner Show und meiner Arbeit.
Durch das Projekt habe ich auch verstanden, dass die Wurzeln der Klimakrise in größeren, unterdrückerischen Systemen wie Kapitalismus, Kolonialismus und Imperialismus liegen. Es geht nicht nur darum, eine grünere Welt zu schaffen, sondern auch um eine gerechtere Welt. Vor allem für diejenigen, die am stärksten betroffen sind. Diese Erkenntnis inspiriert mich, meine Arbeit fortzusetzen und mich weiter für Klimagerechtigkeit einzusetzen.

 

Du hast mit dem Berichten über die Klimakrise auf Social Media begonnen. Welche Rolle spielen junge Menschen im Kampf gegen die Klimakrise, und wie wichtig sind soziale Plattformen dabei?

Grundsätzlich spielen nicht nur junge Mensch, sondern Menschen durch alle Generationen hinweg eine Rolle im Kampf gegen die Klimakrise. Aber klar, junge Menschen spielen eine zentrale Rolle, denn es ist ihre Zukunft, die am stärksten von den Folgen betroffen sein wird. Bewegungen wie «Fridays for Future» haben gezeigt, wie viel Einfluss junge Menschen haben können, wenn sie sich zusammenschließen. Sie bringen eine Dringlichkeit in die Debatte, die oft von älteren Generationen übersehen wird. Daher ist es entscheidend, ihnen zuzuhören und ihre Perspektiven ernst zu nehmen. Sie sollten eine größere Plattform bekommen, um ihre Sorgen und Ideen einzubringen.
Soziale Medien sind dabei ein unverzichtbares Werkzeug. Plattformen wie TikTok und Instagram ermöglichen es, Millionen von Menschen zu erreichen und wichtige Botschaften zu verbreiten. Ich habe selbst mit Social Media angefangen, weil ich damit am effektivsten Menschen erreichen konnte – ein virales Video kann Hunderttausende direkt erreichen. Diese Reichweite gibt jungen Menschen eine Stimme, die sonst möglicherweise ungehört bliebe. Allerdings sehen wir auch, wie rechte Parteien diese Plattformen nutzen, um junge Wähler anzusprechen, besonders auf TikTok. Daher ist es wichtig, dass progressive Bewegungen und Parteien soziale Medien genauso intensiv nutzen, um gegen rechte Hetze und Falschinformationen vorzugehen und die Reichweite zu nutzen, um ihre Themen vorran zu bringen. Die #weclaimtiktok-Bewegung ist ein gutes Beispiel dafür, wie junge Menschen diese digitalen Räume nutzen, um sich gegen Populismus zu wehren.
Soziale Plattformen sind die Medien der Zukunft. Sie haben die Macht, die öffentliche Meinung zu formen und sogar Wahlen zu beeinflussen, wie man es in den USA sieht. Es liegt an uns, sie richtig zu nutzen und jungen Menschen die Unterstützung zu geben, die sie brauchen, um ihre Stimmen noch stärker zu erheben.

 

Und zu guter Letzt: Wen sollen wir deiner Meinung nach unbedingt als nächstes interviewen? Wer inspiriert dich?

Ich würde euch empfehlen, Katja Diehl oder Sally Lisa Starken zu interviewen. Katja Diehl ist eine führende Mobilitätsaktivistin und setzt sich für eine klimafreundliche und gerechte Mobilitätswende ein. Mit ihrem Buch Autokorrektur und ihrem Podcast She Drives Mobility fordert sie uns auf, Mobilität neu zu denken – weg vom Auto, hin zu nachhaltigen, menschenfreundlichen Städten. Sie zeigt, wie Mobilität eine Schlüsselrolle in der Klimakrise spielt und warum soziale Gerechtigkeit dabei unerlässlich ist.
Sally Lisa Starken ist ebenfalls eine beeindruckende Aktivistin, die sich für Klimagerechtigkeit und Feminismus stark macht. Sie ist Mitinitiatorin von #weclaimtiktok, einer Bewegung, die sich gegen rechte Hetze und Desinformation auf sozialen Medien wehrt. Ihr Engagement richtet sich besonders auf die politische Bildung und das Empowerment junger Menschen.

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