Was ist Beyond Value Chain Mitigation (BVCM)?

Beyond Value Chain Mitigation (BVCM) ist ein zentrales Konzept im Kampf gegen die Klimakrise. Es umfasst Maßnahmen, die Unternehmen ergreifen, um Klimaauswirkungen außerhalb ihrer eigenen Wertschöpfungskette zu mindern, insbesondere Klimaschutzprojekte. BVCM ergänzt die Reduktion eigener Emissionen und ist ein entscheidender Hebel, um die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen.

Die Welt steht kurz davor, die kritische Schwelle von 1,5 °C Erderwärmung zu überschreiten – auch der Privatsektor muss jetzt handeln. Die Science-Based Targets initiative (SBTi) hat dazu bereits im Jahr 2021 ein Konzept vorgeschlagen, das aufzeigt, wie auch Klimaschutz-Maßnahmen außerhalb der eigenen Wertschöpfungskette (Beyond Value Chain Mitigation, BVCM) angegangen werden können, zum Beispiel in dem man externe Klimaschutzprojekte unterstützt. Diese ergänzen die wissenschaftlich basierten Ziele zum Erreichen von Netto-Null-Emissionen und die dafür notwendigen Reduktionspläne für Emissionen im Unternehmen und in der eigenen Lieferkette.

Das Konzept SBTi Corporate Net-Zero Standard gewinnt mehr und mehr an Relevanz. Es wurde von der SBTi selbst und im Zuge eines breit abgestützten, öffentlichen Vernehmlassungsverfahrens entwickelt. Zwei Studien zu Beyond Value Chain Mitigation (Raising the Bar und Above and Beyond) wurden im März 2024 veröffentlicht. Auch der Gold Standard sowie unabhängige Marktbeobachter wie Carbon Market Watch oder das NewClimate Institute haben das Konzept BVCM aufgegriffen, diskutiert und in eigenen Veröffentlichungen vertieft (alle in diesem Abschnitt erwähnten Studien siehe Quellenangaben zuunterst). Wir möchten im Folgenden die wichtigsten Fragen zu BVCM beantworten.

Wie integrieren Unternehmen BVCM erfolgreich in ihre Klimastrategie?

Welche Maßnahmen im Rahmen einer Klimastrategie angedacht und priorisiert werden sollen, legt die SBTi in ihrer «Mitigation Hierarchy» dar: Das Vorgehen umfasst vier Schritte: Das Setzen von 1) kurz- und 2) langfristigen Science-Based Targets (SBTs), 3) BVCM und 4) Neutralisierung (siehe Grafik). Ausführlich beschrieben wird das Vorgehen unter Was sind Science-based targets (SBT)

Mit Maßnahmen außerhalb der eigenen Geschäftstätigkeit (BVCM) ist gemeint, was in der folgenden Grafik unter Punkt 3 (hellblau eingefärbt) erklärt wird.  

 

Die Grafik verdeutlicht, dass BVCM-Maßnahmen interne Bemühungen unbedingt ergänzen sollten. Aber warum? 

Zeitintensive Reduktionsmaßnahmen sollten mit sofort wirkenden BVCM-Maßnahmen ergänzt werden

Die Dekarbonisierung (Punkt 1 und 2 in der Grafik oben) der eigenen Geschäftstätigkeit steht bei vielen Unternehmen mittlerweile im Zentrum, und das ist richtig und wichtig. Die Reduktion des eigenen Klimafußabdrucks ist aber meistens Teil eines anspruchsvollen und oft langwierigen Prozesses. Bis zur effektiven und vollständigen Umsetzung dieser Klimaschutzmaßnahmen werden weiterhin Treibhausgase über einen langen Zeitraum ausgestoßen. Die Finanzierung von Maßnahmen außerhalb der eigenen Geschäftstätigkeit (BVCM) wirkt hingegen in der Regel unmittelbar. Zudem ist es ein Gebot der Stunde, die globalen Klimaziele zu unterstützen. Dazu hebt die SBTi in ihrem Report Above and Beyond zwei klare Ziel hervor, die mit BVCM unterstützt werden sollten, siehe Grafik:

 

Siehe auch nächster Abschnitt oder Warum Klimaschutzprojekte unterstützen: 10 gute Gründe für Unternehmen (Punkt 2 und 3).

Fazit: Im Idealfall ergänzt die Finanzierung von externen Klimaschutzmaßnahmen (BVCM) die umfassenden internen Reduktionsbemühungen.

Beyond Value Chain Mitigation (BVCM) erklärt

Aber was ist eigentlich genau gemeint mit BVCM-Maßnahmen? Das können Aktivitäten sein, die Treibhausgasemissionen vermeiden oder reduzieren, sowie solche, die Treibhausgase aus der Atmosphäre entfernen und speichern.

Damit ist heutzutage insbesondere der Kauf von CO2-Zertifikaten, also die Finanzierung von Klimaschutzprojekten gemeint. Solche Projekte sind in großer Anzahl vorhanden, wirken oft sofort und tragen gleichzeitig zur Biodiversität, zur Steigerung der Lebensqualität der Menschen vor Ort und zu vielen weiteren Zielen für nachhaltige Entwicklung der UN (SDGs) bei. Darüber hinaus gibt es viele weitere Gründe, warum Beiträge in integre, qualitativ gut entwickelte und überprüfte Klimaschutzprojekte wichtig sind und als Teil einer umfassenden Klimastrategie zu verstehen sind.

Das Konzept BVCM geht aber noch weiter. So könnte ein Unternehmen zum Beispiel auch direkt in Direct Air Capture and Storage (DACS) und geologische Speicherung von CO2 investieren. Oder es könnte sowohl interne als auch externe Fonds für diese Zwecke finanzieren. Entscheidend ist die Externalität, das heißt, dass diese Klimaschutzaktivitäten außerhalb der eigenen Geschäftstätigkeiten eines Unternehmens umgesetzt werden.

Im folgenden Text sind mit «BVCM-Maßnahmen» konkret Klimaschutzprojekte des freiwilligen CO2-Marktes gemeint. Einerseits weil Klimaschutzprojekte den Vorteil haben, dass sie die meisten Vorgaben des BVCM-Konzepts – zum Beispiel Quantifizierbarkeit, Impact, Skalierbarkeit und zusätzliche Benefits (SDGs) – erfüllen. Und andererseits, weil myclimate anderweitige BVCM-Möglichkeiten wie DACS nicht im Angebot hat.

Wie setzen Unternehmen eine solide BVCM-Strategie um?

Der von Institutionen der Zivilgesellschaft und der Vereinten Nationen gegründete Gold Standard, bei dem myclimate die meisten seiner Projekte registrieren und verifizieren lässt, schlägt in seinem Leitfaden «Funding beyond value chain mitigation. Step by step guidance for organisations taking responsibility for their emissions» ein vierteiliges Vorgehen vor (siehe auch Grafik), das myclimate in etwa so weiterempfiehlt:

  1. Unvermiedene Emissionen berechnen und darüber berichten. Mindestens die jährlichen, (noch) unvermeidbaren Emissionen sollten dabei berechnet und offengelegt werden, im Idealfall aber auch die historischen Emissionen. 
  2. Die Höhe der Finanzierung anhand einer der drei im Kapitel «Wie finanzieren Unternehmen BVCM?» vorgeschlagenen Berechnungsmechanismen festlegen, zum Beispiel durch das Festlegen eines internen CO2-Preises. 
  3. Mit dem Geld hochqualitative BVCM-Maßnahmen (zum Beispiel hochqualitative Klimaschutzprojekte) finanzieren. 
  4. Glaubwürdig kommunizieren. Damit ist gemeint, dass man nicht mehr von «Kompensation» oder «Klimaneutralität» spricht, sondern von Klimaschutzbeitrag, Finanzierung oder Ähnlichem (siehe dazu «myclimate stellt Klimaschutzlabel der Zukunft vor»).

Diese vier Schritte stimmen überein mit der SBTi (Above and Beyond), der Pionierarbeit des WWF von 2020 und auch des NewClimate Institutes. Diese Übereinstimmung zeigt, dass sich unter den Einrichtungen der Zivilgesellschaft ein starker Konsens darüber abzeichnet, wie Organisationen ihre unverminderten Emissionen angehen sollten. Der Gold Standard hebt zudem hervor, dass das Vorgehen in diesen vier Schritten ein integres Klimaschutzengagement garantiert, das die Reputation stärkt:

Mit diesem Vorgehen können Organisationen maßgeblich zu den weltweiten Bestrebungen für Netto-Null-Emissionen beitragen und ihr Engagement für verantwortungsvolle und nachhaltige Geschäftspraktiken unter Beweis stellen. Dadurch sind sie in der Lage, ihre Anstrengungen gegenüber Stakeholdern, einschließlich Kundinnen und Investorinnen, als glaubwürdig zu präsentieren und sich von der Konkurrenz abzuheben.

Gold Standard, Funding Beyond Value Chain Mitigation

Wie finanzieren Unternehmen BVCM?

Wie oben ausgeführt leisten die meisten Unternehmen BVCM, indem sie Klimaschutzprojekte von zertifizierten Partnern wie myclimate mit einem finanziellen Beitrag unterstützen. Die Höhe dieser finanziellen Leistungen wird meistens anhand einer der nachfolgend beschriebenen drei Ansätze bestimmt. Unternehmen sind frei, den Ansatz zu wählen, der am besten zu ihren Unternehmenszielen, ihrer Branche und ihren verfügbaren Ressourcen passt.

 

«Tonne für Tonne»

Unternehmen unterstützen Klimaschutzprojekte mit einem Betrag, der ihrem CO₂-Fußabdruck in einem bestimmten Zeitraum entspricht. Dieser Ansatz war bis vor einigen Jahren als «Kompensation» bzw. «Klimaneutralität» bekannt, heute spricht man von Klimaschutzfinanzierung oder -beitrag.

Beispiel: Firma A stößt 2’000 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr aus und unterstützt ein Klimaschutzprojekt mit einem Betrag, der Emissionen in derselben Menge aus der Atmosphäre entfernt oder verhindert. Die genaue Höhe der Unterstützung richtet sich nach dem Preis pro entfernte, reduzierte oder vermiedene Tonne CO2 des Klimaschutzprojekts, das unterstützt wird.

 

«Geld für Tonne»

Unternehmen bestimmen einen Referenzpreis pro Tonne, der mit der ausgestoßenen Menge an Emissionen multipliziert wird. Neben der Unterstützung von Klimaschutzprojekten dient dieser Ansatz damit gleichzeitig als finanzieller Anreiz für Unternehmen, möglichst wenige Emissionen selbst zu verursachen. Eine solche interne CO2-Bepreisung erzielt also im Idealfall eine Lenkungswirkung, weil Mitarbeitende in Entscheidungspositionen eher auf klimafreundlichere Produkte und Produktionsprozesse setzen.

Beispiel: Firma B beschließt, pro verursachte Tonne CO2 100 bis 200 Franken in einen internen Klimafonds zu bezahlen, woraus BVCM-Maßnahmen finanziert werden.

 

«Geld für Geld»

Unternehmen investieren einen Teil ihres Umsatzes oder Gewinns in BVCM-Maßnahmen. Dieser Ansatz bindet damit die Höhe der Klimaschutzinvestition an die finanzielle Leistung des Unternehmens. Geld-für-Geld ist somit ein sehr flexibler Ansatz.

Beispiel: Unternehmen C investiert fünf Prozent des Jahresgewinnes oder ein Prozent des Jahresumsatzes in externe Klimaschutzprojekte.

Aktiv werden – konkrete Möglichkeiten für Klimaschutz mit myclimate

Es gibt diverse Möglichkeiten, wie Unternehmen gemeinsam mit Mitarbeitenden aber auch mit Kund*innen für den Schutz des Klimas einstehen und aktiv werden können. Die Wichtigkeit einer soliden BVCM-Strategie haben wir zuvor erläutert. Die Berechnung der eigenen Emissionen, die Reduktion dieser und die Optimierung der Wertschöpfungskette sowie die Schulung von Mitarbeitenden sind notwendige und wirkungsvolle Maßnahmen. Mit Hilfe einer transparenten Kommunikation gewinnen Unternehmen auch gegenüber ihrer Kundschaft an Glaubwürdigkeit (siehe auch Box).

 

In fünf Schritten wirksamen und erfolgreichen Klimaschutz umsetzen:

Die eigenen CO2-Emissionen bestimmen und wirksame Hebel erkennen

Wertschöpfungskette optimieren und CO2-Fußabdruck reduzieren

Mitarbeitende schulen und aktivieren

Klimaschutzprojekte finanzieren und damit BVCM umsetzen

Klimaschutzbemühungen glaubwürdig und transparent kommunizieren und allenfalls auch darüber Bericht erstatten

 

Unternehmen können sich auch von Beginn weg entscheiden, eine ganzheitliche Klimastrategie anzugehen. Sie bildet den Grundstein für eine strategische Verankerung von Klimaschutz im Unternehmen.

Viele weitere kleinere und größere Möglichkeiten für konkreten Klimaschutz im Unternehmen kann man visuell aufbereitet auf der myclimate Guided Tour oder Freetour entdecken.

 

 

Quellen:
SBTi Corporate Net Zero Standard v1.2, SBTi, March 2024
Above and Beyond – An SBTi report on the design and implementation of beyond value chain mitigation (BVCM), SBTi, February 2024 
Raising the Bar – An SBTi Report on accelerating corporate adoption of beyond value chain mitigation (BVCM), SBTi, February 2024 
Credible Climate Claims in a post-offsetting world – Frequently Asked Questions, Carbon Market Watch, February 2024
Funding Beyond Value Chain Mitigation, Gold Standard, March 2024 
A Blueprint for Corporate Action on Climate and Nature. WWF, December 2020.
A guide to climate contributions. Taking responsibility for emissions without offsetting. NewClimate Institute, 2023.

Die eigenen Emissionen berechnen, den CO2-Fußabdruck vermindern und wirksame Klimaschutzprojekte unterstützen.

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