Methodisch fragwürdige Studie ignoriert langjährige wissenschaftliche Erkenntnisse und diskreditiert international ausgezeichnete Projekte

myclimate hat sich mit der in Nature veröffentlichten Studie von Gill-Wiehl et al. zu der Wirksamkeit von Kocherprojekten und der Integrität der dafür ausgestellten Emissionsreduktionszertifikate – «Pervasive over-crediting from cookstove offset methodologies», Nature 2024 – auseinandergesetzt. Diese Studie wurde unter anderem unkritisch am Tag nach ihrer Veröffentlichung in reichweiten- und meinungsstarke Medien wie dem Guardian aufgenommen. Auch wenn myclimate ausdrücklich neue Forschungsansätze begrüsst, die auf eine Verbesserung der Projektqualität zielen, bedauert die Klimaschutzorganisation aus Zürich die vereinfachte Darstellung der Projekte und die grundlegenden methodischen Mängel der Studie. Die Ergebnisse der Studie, die eine massive Überkreditierung bei Kocherprojekten annehmen, hält myclimate daher für nicht zulässig.

Foto: myclimate

Die Entwicklung von Klimaschutzprojekten, die über die freiwilligen Märkte finanziert werden, ist äusserst komplex. Die Stiftung myclimate hat über zwanzig Jahre Erfahrung in diesem Bereich und dabei profundes Wissen zu wirkungsvollen, qualitativ hochwertigen Kochherdprojekten. Daher ist myclimate mit den Herausforderungen und Fallstricken, die solche Projekte mit sich bringen können, und den Unsicherheiten, die mit den Berechnungen der durch die Projektaktivitäten erzielten Emissionsreduktionen verbunden sind, mehr als vertraut.  

Die folgende Stellungnahme zu der Studie «Pervasive over-crediting from cookstove offset methodologies» von Gill-Wiehl hebt hervor, dass wir in einigen entscheidenden Punkten nicht mit den Ergebnissen und Methodik der Studie übereinstimmen. myclimate widerspricht daher den generalisierten Schlussfolgerungen, insbesondere der behaupteten massiven Überanrechnung von Emissionsreduktionen.  

 

Die Hauptkritikpunkte von myclimate sind: 

  • Die Studie verwendet Werte aus der Literatur für einzelne Faktoren zur Berechnung der konkreten CO2-Einsparung (Nutzungsraten, Brennholzbedarf, etc.) als Vergleichswerte und nimmt an, dass diese Werte besser/genauer sind als die Daten, die durch das jährliche Monitoring der zertifizierten Projekte erhoben werden. 
     
  • Kocherprojekte können nicht einfach so miteinander verglichen werden. Der geographische und kulturelle Kontext unterscheidet ebenso stark wie das Projektdesign. Durch die leistungsbasierten Anrechnungsmechanismen werden zum Beispiel in von myclimate unterstützen Projekten Benutzer*innen geschult, und es werden Wartungsprogramme für die Kocher durchgeführt. Zahlungen fliessen nur, wenn die Projekte nach «Best Practice»-Ansätzen auch wirklich umgesetzt sind und Kocher auch im Einsatz sind und bleiben. Die Gold Standard Zertifizierung stellt das sicher. Dadurch können diese Projekte signifikant höhere Werte ausweisen als Projekte, die nicht einen gleichen Ansatz umsetzen und in der Studie herbeigezogen wurden. 
     
  • Diese Instrumente entfallen zumindest teilweise bei den Vergleichswerten, auf die die Studie sich fokussiert. Die zugrunde liegenden Daten sind also verzerrt, die Studie weist einen «Data Bias» auf. 
     
  • Der Erfolg eines Projektes hängt stets von sehr vielen lokalen Faktoren ab. Daher ist generell methodisch sehr fraglich, einen globalen Mittelwert aus der Literatur (welche immerhin zahlreiche Projekte aus Asien, Afrika, Südamerika mit einer teils mehr als zehn Jahre alten Datengrundlage abdeckt) als Referenz für projektspezifische Faktoren zu verwenden. Die Studie selbst betont dazu widersprüchlich die Notwendigkeit, lokale Bedingungen und Kontexte bei der Bewertung von Klimaschutzprojekten stärker zu berücksichtigen. 
     
  • Die Methodik der myclimate-Projekte für effizientere Kochherde setzt stets auf einen konservativen Ansatz zur realistischen Messung des Brennstoffverbrauchs, indem sie « Kitchen Performance Tests“ sowohl für die Beurteilung der Baseline als auch der Projektsituation durchführt, anstatt auf Standardwerte zurückzugreifen. Das ermöglicht eine zuverlässigere und repräsentativere Schätzung des tatsächlichen Brennstoffverbrauchs unter variierenden Bedingungen wie unterschiedlichen Klimazonen und Kochgewohnheiten. 

 

Die von myclimate seit Jahren geförderten Cookstove-Projekte haben in grossem Umfang sehr positive Auswirkungen auf das Leben vieler Menschen über die nachgewiesene CO2-Einsparung hinaus. Dennoch unterstreicht myclimate die Bedeutung einer differenzierten Betrachtung und die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Verbesserung und Anpassung der Methoden im Bereich des Klimaschutzes. Wir sehen die allgemeinen Kritikpunkte und ermutigen den Voluntary Carbon Market (VCM), die weiteren Standards und Projektentwickler, diese ernst zu nehmen.  

Wir sind ebenso der Meinung, dass diese Studie, obwohl sie im Allgemeinen relevante Verbesserungsmöglichkeiten beleuchtet, das Überbewertungspotenzial bei Kocherprojekten bei weitem überschätzt. Es ist bedauerlich, dass hier zum wiederholten Male, Projekte auf fragwürdiger, voreingenommener Datengrundlage und in einer unterkomplexen Art beleuchtet werden. Anstelle die Chance zu nutzen, das wichtige Instrument der Klimaschutzprojekte konstruktiv weiterzuentwickeln, wird leider vermehrt auf verkürzte Aussagen mit Empörungspotenzial gesetzt.  

Wir werden weiterhin auf ein besseres Verständnis der den Erfolg eines Projektes beeinflussenden Faktoren hinarbeiten. Das Ziel von myclimate ist das richtige Gleichgewicht zwischen einer robusten und konservativ-orientierten Schätzung aller Werte und der Anwendbarkeit (Kosten/Nutzen) vor Ort zu finden, um möglichst vielen Menschen den Zugang zu sauberem und klimafreundlicherem Kochen zu gewährleisten. 

Ein detailliertes Feedback zur Studie von myclimate finden Sie hier

 

Weiterführende Links und Quellen:
Einschätzung Gold Standard
Offener Brief zur Studie von weiteren Experten, Forschern und Projektentwicklern  
Die Studie von Gill-Wiehl et al.
Artikel im Guardian  


 

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