Herr Paroubek, Die Migros verpflichtet sich im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie dem UN Global Compact, eine UN-Initiative, die vom kürzlich verstorbenen Kofi Annan gegründet wurde. Sie hat zum Ziel, dass Unternehmen nachhaltig wirtschaften. Wo steht die Migros in Bezug auf seine eigenen Nachhaltigkeitsziele?
Wir sind auf Kurs! Trotz schwierigem Marktumfeld ist Nachhaltigkeit ein Teil der Migros-DNA, dies spürt man in der täglichen Arbeit. Nachhaltigkeit ist für uns jedoch kein Ziel, sondern ein Prozess, eine stetige Weiterentwicklung. Wir verfolgen Meilensteine holistisch in allen Dimensionen der Nachhaltigkeit und messen diese regelmässig. Dabei fokussieren wir uns auf die Bereiche, wo wir als Migros die grösste Wirkung erzielen können, und dies ist zum grossen Teil in unseren Produkt-Wertschöpfungsketten. Und hier kommt der my-M-Klimafonds ins Spiel…
Die Migros kompensiert seit anfangs Jahr alle Treibhausgasemissionen, die durch den Flugtransport ihrer Waren entstehen, in eigens entwickelten Klimaschutzprojekten. Was sind die Gründe dafür, dass die Migros ihre Emissionen in der eigenen Lieferkette kompensieren will?
Weil es in unserer Verantwortung liegt, die Emissionen, die wir generieren, auch wieder einzusparen. Grosse Unternehmen verfügen im Rahmen ihrer Lieferkette über hoch wirksame Hebel, um CO₂-Emissionen einzusparen. Gerade innerhalb der Lieferkette lassen sich Projekte aufbauen, welche die entstandenen Emissionen ausgleichen und oft auch darüber hinaus vielfältige positive Aspekte für die lokale Natur und Bevölkerung mit sich bringen.
Es entwickeln sich langfristige Lieferantenbeziehungen, welche sich kontinuerlich weiterentwickeln – eine Win-Win Situation. Der my-M-Klimafonds unterstützt Projekte mit einem finanziellen Beitrag, die aus Sicht des Klimaschutzes sinnvoll sind, aber ohne Förderung nicht realisiert würden. Das Potential innerhalb der Lieferkette der Migros diesbezüglich ist beträchtlich.
Warum hat sich die MIGROS dabei für eine Partnerschaft mit myclimate entschieden?
Dass wir mit einem externen Partner zusammenarbeiten möchten, war für uns von Anfang an klar. Mit myclimate konnten wir einen glaubwürdigen und erfahrenen Projektpartner gewinnen, der uns seit Langem unterstützt. myclimate übernimmt für uns nicht nur die Umsetzung der Projekte, sondern kontrolliert als unabhängige Instanz, dass alle CO₂-Emissionen, welche durch Flug emittiert wurden, auch wieder eingespart werden. Diese Kombination aus Umsetzungspartner und Kontrollinstanz hat sich als sehr effizient herausgestellt.
Im Moment sind die ersten Klimaschutzprojekte in konkreter Ausarbeitung. Was ist für die Migros ausschlaggebend, um sich für ein konkretes Projekt zu entscheiden?
Am wichtigsten ist bei uns immer die Wirkung. Wir möchten Projekte durchführen, die nicht nur auf Papier gut aussehen, sondern auch messbar etwas verändern. Ein Projekt hat die Verlagerung der Produktion von Rindfleisch von Australien oder Südamerika nach Europa zum Ziel. So fällt nicht nur der Flugtransport weg, sondern wir können eine gesamtheitliche, standortangepasste Fleischproduktion anstreben. Dies ist eine langfristige strategische Ausrichtung, welche auf den Klimabeitrag angewiesen ist, um eine solche Produktion aufbauen zu können.
Ein anderes Beispiel ist die nachhaltige Reisproduktion in Thailand: die klima-smarte Anbaumethode (System of Rice Intensification SRI) spart durch die Änderung des Wassermanagements nicht nur CO₂ ein, sondern auch Wasser, Saatgut, Dünger und Pestizide. Die höheren Erntebeiträge führen zusätzlich zu einer Einkommenssteigerung für die Bauern.
Zusammengefasst: Der Entscheid für ein Projekt hängt nicht nur vom eingesparten CO₂ ab, sondern auch vom Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung. Dies gilt natürlich nicht nur für die landwirtschaftliche Produktion – die Projekte können entlang der gesamten Wertschöpfungskette umgesetzt werden, z.B. im Transportbereich oder in den Filialen.
Wie sehen Sie das Potential in der eigenen Wertschöpfungskette Klimaschutzprojekte aufzubauen?
Die Projektansätze sind innerhalb der Wertschöpfungsketten der Migros zahlreich. So können neue Produktionen im näheren Ausland aufgebaut werden, die Importe von Produkten aus Überseeländern – und als deren Folge Flugtransportemissionen – überflüssig machen. Auch eine nachhaltige Gestaltung und bessere Flächennutzung beim Anbau von Kaffee oder Tee bietet viel Potenzial für wirksamen Klimaschutz mit hohem sozioökonomischen Nutzen.
Auch in der Schweiz bestehen Möglichkeiten innerhalb der Migros-Lieferkette Potenziale für mehr Klimaschutz zu nutzen. Momentan sind zehn weitere Projektideen in Evaluation. Indem für jede Tonne CO₂, die durch Flugtransporte entsteht, ein Geldbetrag fällig wird, hat die Migros auch ein internes CO₂-Pricing umgesetzt.
Inwiefern hat dieser Preis auf CO₂ Auswirkungen auf Geschäftsentscheide?
In der Tat hat das Pricing intern einiges ausgelöst. Es sind etliche Projekte in Diskussion zur Reduktion der Flugtransporte im Gange, gerade in den Bereichen, wo viel geflogen wird. Dies entspricht auch dem strategischen Ziel, die Flugtransporte – nebst der Kompensation – kontinuierlich zu reduzieren. Doch nicht nur intern haben wir eine Lenkungswirkung erzielt: Durch die transparente Deklaration auf den Produkten kann der Konsument sich bewusst für oder gegen den Kauf von geflogenen Produkten entscheiden.