Die Liste der Davoser Massnahmen im Bereich Nachhaltigkeit ist eindrücklich. Vor 20 Jahren wurde Davos die erste Klimastadt Graubündens und bis 2036 will die weltbekannte Alpenstadt energieautark sein. Strom ohne CO2 gibt es schon seit 1894, als das lokale Elektrizitätswerk damit begann, die Wasserkraft zur Produktion von Elektrizität zu nutzen. Darüber hinaus ist die Destination Davos Klosters Partner des myclimate Programmes «Cause We Care», mit welchem Gäste klimaneutrale Angebote und Produkte nutzen können. Der Wille, die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, ist in Davos fest verankert.
Jüngstes Beispiel ist das moderne Kongresszentrum von Davos, wo im Januar jeweils das Jahrestreffen des World Economic Forum (WEF) stattfindet: Das Kongresszentrum ist seit Mai klimaneutral. Die Emissionen des Zentrums werden in einem Klimaschutzprojekt von myclimate kompensiert. Damit sendet Davos ein nationales und internationales Signal aus, denn die Veranstaltungen, die hier stattfinden, haben Weltformat und erzielen weltweite mediale Wirkung. Davos geht aber noch einen Schritt weiter und bietet künftig allen Veranstaltern die Möglichkeit, mittels eines Emissionsrechners sämtliche Eventemissionen inklusive Übernachtung und Food & Beverage zu berechnen und zu kompensieren. Der Emissionsrechner wurde von myclimate entwickelt.
myclimate: Reto Branschi, wieso liegt Ihnen das Thema Klima besonders am Herzen? Was ist Ihnen besonders wichtig beim Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit? Wo sehen Sie Davos direkt betroffen und auch in der Verantwortung?
Reto Branschi: Wir haben nur einen Planeten und eine Natur – wir sollten gut darauf achten. Der sorgsame Umgang mit natürlichen Ressourcen ist für Davos mehr als ein Trend. Wir haben uns diese Ziele schon vor mehr als 20 Jahren gesetzt, denn in den Alpen ist die Bedeutung der Natur jeden Tag sichtbar. Wir müssen ein Gleichgewicht halten zwischen dem Nutzen und dem Schutz unserer unmittelbaren Umwelt. Wir leben von der Natur und dürfen ihr nur so viel wegnehmen, wie sie aus eigener Kraft wieder regenerieren kann. Wenn wir die Alpen übernutzen, gehen sie kaputt. Und damit auch unsere Überlebensgrundlage.
Sie bieten Ihren Veranstaltern mit dem Kongresszentrum einen klimaneutralen Standort; übernehmen also Verantwortung für Ihren Teil der Emissionen. Zukünftig möchten Sie den Veranstaltern auch die Möglichkeit geben, Verantwortung zu übernehmen, indem Sie einen Eventrechner von myclimate haben entwickeln lassen, mit dem sämtliche zusätzlichen Eventemissionen berechnet und kompensiert werden können. Ist dies freiwillig?
Reto Branschi: Das ist eine sehr gute Frage! Die Kompensation erfolgt ohne Zwang durch uns oder ein Gesetz, wenn Sie das mit «freiwillig» meinen. Aber der nachhaltige Umgang mit den natürlichen Ressourcen wird mittlerweile von Millionen von Konsumenten, Feriengästen und Kongressteilnehmenden als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt. So gesehen, ist die Kompensation schon fast ein Zwang, der von den Konsumenten ausgeht.
Zahlreiche Veranstalter sind denn auch froh, dass wir ihnen mit dem Eventrechner ein handfestes Werkzeug in die Hand geben, die Emissionen ihres Anlasses seriös zu berechnen, transparent zu machen und zu kompensieren. Die Eventteilnehmer schätzen das.
Sehen Sie dieses zusätzliche Angebot als Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Kongressdestinationen?
Reto Branschi: Die Klimaneutralität unseres Kongresszentrums wird erst dann zur echten Unique Selling Proposition (USP), wenn auch möglichst alle Veranstalter mitziehen. Dann wird es noch mehr zum guten Ton gehören, nach Davos zu kommen, denn hier nimmt man den Klimaschutz ernst. Das World Economic Forum ging übrigens mit gutem Beispiel voran: Das gesamte Annual Meeting ist schon seit vier Jahren klimaneutral. Jedes Jahr werden über 1100 Datenpunkte erhoben, um den CO2-Ausstoss des Anlasses zu berechnen und dann wird der CO2-Fussabdruck des Anlasses vollständig kompensiert. Auch hier erlebe ich, dass Nachhaltigkeit nicht einfach ein Trend oder ein Marketing-Etikett ist: Jahr für Jahr ist spürbar, wie die Nachhaltigkeit sich immer mehr vom Kongressthema zum echten Anliegen entwickelt.
Die Gelder aus dieser Kompensation gehen in ein Klimaschutzprojekt nach Uganda, welches Wasserfiltertechnologien fördert und Schulen sowie Haushalte mit sauberem Trinkwasser versorgt. Wo sehen Sie hier die Verbindung zu Davos?
Reto Branschi: Wasser ist ein Leitthema der Nachhaltigkeit. Die UN hat 2015 ihre Ziele zur nachhaltigen Entwicklung definiert. Wasser und Verbesserung der Hygiene ist das sechste von 17 Zielen. Hier in Davos leben wir in einem Wasserschloss. Wir duschen mit Trinkwasser und haben scheinbar endlos viel davon zur Verfügung. Doch der Eindruck täuscht. Die Klimaveränderung rüttelt an der Stabilität verschiedener Kreisläufe, immer öfter werden wir von Starkniederschlägen und anderen Wetterextremen heimgesucht. So kann Wasser zu einer Gefahr für uns werden. Das sind Dinge, die uns nicht kalt lassen.
Wir wollen aber auch etwas in andere Regionen der Welt exportieren. Durch die Projektunterstützung in einem sehr armen Land wie Uganda zeigen wir, dass wir unseren Wohlstand und die hohe Qualität unserer Versorgung mit Trinkwasser nicht einfach als Selbstverständlichkeit hinnehmen. Dass die ETH Zürich ihr neues Zentrum für Klimaforschung in Davos eröffnet ist kein Zufall. Ich hoffe, dass dereinst auch Uganda von der Arbeit der ETH in Davos profitieren kann.
Was ist Ihr Wunsch für die Zukunft im Bereich Umwelt und Nachhaltigkeit in Davos?
Reto Branschi: In den alpinen Regionen der Welt ist es besonders wichtig, dass ein Gleichgewicht zwischen den Dimensionen der Nachhaltigkeit gefunden und gepflegt wird. Wir brauchen Gleichgewichte zwischen «nutzen» und «schützen», «entwickeln» und bewahren». Als Bergregion in einem reichen Land können wir hier neue Wege gehen und Modelle entwickeln, die andere, viel ärmere Bergregionen und ihre Bevölkerung weiterbringen. Das wäre mein Wunsch für die nächsten 20 Jahre.