Eine Einschätzung von René Estermann, Geschäftsführer myclimate
Das historische Paris-Agreement (der Weltklimavertrag von Paris) konnte unmittelbar vor der COP22 in Marrakesch offiziell in Kraft treten. Zur Erinnerung: Dessen festgelegtes Ziel ist es, die globalen durchschnittlichen Temperaturanstiege im Vergleich zur vorindustriellen Zeit deutlich unter 2°C zu halten bzw. starke Anstrengungen zu unternehmen diese bei 1.5°C zu begrenzen. Der neue globale Klimavertrag beinhaltet einen fundamentalen Wechsel hin zu einem föderalen „bottom-up-Prozess“: alle Länder haben individuelle eigene nationale Klimapläne auszuarbeiten, die ihre Beiträge zum 1.5°C-Ziel aufzeigen.
Nach dem globalen Klimavertrag wurde mit dessen Ratifizierung nun nochmals ein diplomatisches Meisterstück realisiert. Bis zum 5 Oktober 2016 hatten 187 UN-Parteien (d.h. Staaten) den Pariser Vertrag unterzeichnet, 163 INDCs (vorgeschlagene, nationale Klimaschutzpläne) von 189 Ländern wurden dem <link http: unfccc.org external-link externen link im aktuellen>UNFCCC übermittelt. Das bedeutet, dass 96% der Parteien Pläne aufgesetzt haben; 96%, die für total 95.7% der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. 115 Parteien mit mehr als 70% der globalen GHG-Emissionen haben den Vertrag nun ratifiziert, sodass der globale Klimavertrag am 5. November offiziell in Kraft treten konnte.
Noch nicht gut genug
Allerdings würde mit den nun vorliegenden nationalen Klimaplänen das “deutlich unter 2°C-Ziel” klar verfehlt. Gemäss Bewertung und Schätzungen von <link http: unep.org external-link externen link im aktuellen>UNEP, UNFCCC oder <link http: iea.org external-link externen link im aktuellen>IEA sind die verbleibenden Emissionen um 10-15 Milliarden Tonnen CO₂e zu hoch, auch wenn sämtliche eingereichten Pläne vollständig umgesetzt würden. Deshalb muss das Ambitionslevel relevant gesteigert und beschleunigt werden. Nach den Absichtserklärungen und Plänen sind nun konkrete Taten in allen Ländern gefragt, wobei die UN-Prinzipien Gleichheit und gemeinsame aber differenzierte und an die Leistungsfähigkeit angepasste Verantwortung gelten. Anpassungsmassnahmen an den Klimawandel sind dabei genauso prioritär wie massive Emissionsreduktionen.
Diese Anpassungen bedürfen institutioneller Verankerung und klarer Finanzierung – das sind zwei der Kernpunkte des künftigen Klimaschutzes. Ambitionierte Massnahmen sollen von allen Staaten mit Technologie, Wissen, Verhalten und Finanzen erreicht werden. Die Entwicklungsländer sollen aufgrund der ungleichen Ressourcen und ihrer hohen Anfälligkeit und Betroffenheit von den Industrieländern speziell unterstützt werden.
Endlich kommen die Preise
Neue marktbasierte Mechanismen – z.B. gemäss Artikel 6 des Klimavertrages - sollen rasch konkretisiert werden. Hier wurde in Marrakesch allerdings noch nichts konkretisiert. Erfreulich wird sein, dass mit Umsetzung der nationalen Klimapläne dann mehr als 100 Länder einen Preis auf Treibhausgasemissionen setzen. Dieser Preis ist nicht einheitlich: in Schweden, das als weltweit erstes Land vor 25 Jahren damit startete, beträgt dieser Preis auf CO₂-Emissionen rund 150€/t, in Kalifornien auch weiterhin 30$/t, in China je nach Region zwischen 5-15$/t, in der Schweiz sind es in den bisherigen Modellen 84 CHF/t (künftig allenfalls bis zu 240CHF/t).
Klimafinanzierung ist seit der COP in Kopenhagen 2009 ein wichtiger Teil der Verhandlungen. Dort hatten sich die Länder verpflichtet ab 2020 jährlich 100 Mia$ für Klimaprojekte bereit zu stellen. Gemäss Paris Agreement ist das nun das jährliche Minimum. Die operativen Guidelines für den Green Climate Fund, der Institution, welche diese Gelder verwalten und auf Projekte allokieren wird, war ebenfalls ein wichtiger Diskussionsgegenstand, ebenso wie auch die Carbon-Divestment-Strategien im Finanzsektor bzw. Investmentstrategien in Richtung Cleantech/Lowcarbon.
Herausforderung Umsetzung birgt unzählige Chancen
Der Erfolg des globalen Klimavertrages wird sich künftig und rasch an konkret realisierten Massnahmen und deren positiven Wirkungen messen lassen müssen. Viel Arbeit steht nun an. Die nationalen Klimapläne müssen in Kraft treten, auf politischem und wirtschaftlichem Parkett, in Übereinstimmung mit den globalen Instrumenten, den Märkten, dem Wissen und den technologischen und finanziellen Ressourcen. Für nachhaltig erfolgreichen Klimaschutz sind starke politische Führung ebenso unabdingbar wie die Innovation und Engagement des privaten Sektors. Wie schon erwähnt, die Ziele sind definiert, für deren Erreichung bestehen unzählige Möglichkeiten.
Für die Schweiz ist ein hohes Ambitionslevel beim Klimaschutz wertvoll. Es wirkt als nützlicher Treiber für erfolgversprechende Zukunftsmärkte für unseren Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort, sei es für Cleantechindustrie, Finanzdienstleister oder die Hochschulen. Wir werden diese Chancen nutzen. Wenn wir es nicht oder zu spät tun, werden es andere tun!