Wir begrüssen als gemeinnützige Klimaschutzorganisation grundsätzlich kritische Betrachtungen. Sie sind ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung von Regelwerken und Transparenz. Projekte wie diejenigen, die im Bericht beschrieben werden, hat myclimate bewusst und u.a. aus den im Artikel genannten Gründen nicht in das Portfolio aufgenommen. Sie genügen nicht den Ansprüchen des myclimate Sorgfaltsprozesses (Due Diligence). Daher trifft die Kritik des ZEIT-Artikels zwar nicht auf myclimate zu, doch sehen wir mögliche Auswirkungen auf den dringend benötigten freiwilligen Klimaschutzmarkt.
Die teils nachvollziehbare Kritik an Verra darf keinesfalls dazu verleiten, Klimaschutzmaßnahmen pauschal zurückzufahren. Es geht nicht um das Ob, sondern um das Wie.
Vielmehr sollte es dazu führen, Anbieter mit transparenten, nachvollziehbaren und ganzheitlichen Klimaschutzkonzepten zu wählen. Aus diesem Grund begrüsst myclimate, dass der Zeit-Artikel aufzeigt, worauf beim wirkungsvollen und seriösen Klimaschutzengagement geachtet werden muss. Klimaschutzorganisationen wie myclimate haben strenge Due Diligence Prozesse, arbeiten transparent, tragen zu den Nachhaltigkeitszielen der UN (SDG) bei und arbeiten mit hochwertigen Zertifikaten, die bei jedem Projekt ausgewiesen werden.
Der myclimate Due Diligence Prozess verhindert, dass die im Artikel erwähnten sowie ähnlich gelagerte Projekte in das Portfolio aufgenommen werden. Zu dem Prozess gehört u.a. die enge Abstimmung mit den Projektpartnern vor Ort und die Zusammenarbeit mit Zertifizierungsorganisationen, die Methodologien überprüfen und extern validieren lassen. Zudem steht myclimate für einen ganzheitlichen Ansatz, der neben eigenen Klimaschutzprojekten auch Beratung und Bildung umfassen, um wirksamen Klimaschutz zu ermöglichen.
Missstände sind keine «Normalität»
myclimate widerspricht der im Artikel angeführten Annahme, dass der genannte «offene Missstand» zur «Normalität» im Klimaschutzprojektbereich geworden wäre. Das Vorgehen von myclimate zeigt, dass seriöser Klimaschutz möglich ist. Um das globale Klimaziel zu erreichen, braucht es mehr weltweite Klimaschutzprojekte, darunter auch Waldprojekte. Der freiwillige CO₂-Markt ist ein wichtiger Mechanismus, um Klimaschutz und die Umsetzung der SDGs u.a. in Entwicklungsländern zu fördern, die am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind. Verantwortungsbewusste Käufer qualitativ hochwertiger, fairer gehandelter Emissionsgutschriften aus Klimaschutzprojekten helfen dabei erheblich.
Klar ist auch: Das Erreichen des Pariser 1,5-Grad-Ziels ist mit blosser Minderung menschengemachter Emissionen und dem Einfangen und Speichern mit technischen Lösungen nicht mehr möglich.
Deshalb rücken natürliche Klimalösungen (engl. Nature-based Solutions kurz «NBS») richtigerweise vermehrt in den Fokus. Dazu zählen auch Waldschutzprojekte bzw. sogenannte REDD+ Projekte („Reduzierung von Emissionen aus Entwaldung und zerstörerischer Waldnutzung“), wie sie im Artikel erwähnt werden. Waldschutzprojekte betrachten wir zwar aufmerksam kritisch, doch die grundsätzliche Logik, Wälder zu erhalten, um das 1,5 Grad Ziel zu erreichen, ist richtig und notwendig ist. Eine pauschale Verurteilung aller Waldschutzprojekte wäre sachlich falsch und liesse viele positive Aspekte ausser Acht, wie beispielsweise Verbesserungen für die lokale Bevölkerung und die Biodiversität.
Strenge Qualitätsanforderungen bei myclimate
In allen internationalen myclimate-Projekten reduzieren wir daher nicht nur Treibhausgas-Emissionen, sondern fördern die soziale, ökologische und wirtschaftliche Entwicklung in der Region. Zum Beispiel profitiert die lokale Bevölkerung von besserer Lebensqualität oder Gesundheit, der Schaffung von Arbeitsplätzen, Empowerment sowie Wissens- und Technologietransfer. Auch führen myclimate Klimaschutzprojekte Wiederbewaldungs- und Neuaufforstungsinitiativen durch, die den Druck auf die natürlichen Lebensräume und die Artenvielfalt vermindern.
myclimate arbeitet nahezu ausschliesslich mit Plan Vivo Standard
Aus diesen Gründen arbeitet myclimate im NBS-Bereich nahezu ausschliesslich mit dem PlanVivo Standard, der von lokalen Bevölkerungen mitgestaltet wird und auf einem fairen Revenue-sharing System basiert. Dieser älteste Standard zur Zertifizierung von Klimaschutzprojekten im Landnutzungsbereich gilt als einer der glaubwürdigsten und stärksten Standards weltweit, denn seine Philosophie ist «community-based». Plan Vivo legt zudem einen hohen Stellenwert auf Biodiversitätsaspekte (z.B. Förderung einheimischer Baumarten statt grossflächiger, schnell wachsender Monokulturen) und Armutsbekämpfung (60 % der Zertifikatserlöse wird direkt an die Kleinbauern und Dorfgemeinschaften ausbezahlt).
Für unvorhergesehene Ereignisse (z.B. Waldbrände, Stürme) hält der Plan Vivo Standard je nach Projekt 20 Prozent der Zertifikate als Puffer zurück und gibt diese nicht in den CO₂-Markt. Die zurückgehaltenen Zertifikate werden bei solchen Ereignissen dann als Ersatz hergezogen und endgültig stillgelegt (entsprechend dem Prinzip einer globalen Versicherung).
Verra-Waldklimaschutzprojekte kommen für myclimate nur in Betracht, wenn sie eine Zusatzzertifizierung wie Climate Community & Biodiversity Standard (CCBS) aufweisen können, nachweislich und überprüfbar zum Klimaschutz beitragen und erfolgreich unseren Due Diligence Prozess durchlaufen haben. Nur ein Verra-Zertifikat allein genügt zunächst nicht, um in das myclimate-Portfolio aufgenommen zu werden. Derzeit sind Verra-zertifizierte REDD+ Projekte nicht im myclimate Portfolio.
Langjährige Partnerschaften
Bei den myclimate-Klimaschutzprojekten verlassen wir uns nicht nur auf hochwertige Standards wie den vom WWF und anderen Umweltschutzorganisationen entwickelten Gold Standard oder Plan Vivo. Sondern wir überzeugen uns auch bei unseren langjährigen persönlichen Kontakten und mit Besuchen vor Ort von dem Fortschritt und der Qualität der Projekte.
So beispielsweise das myclimate Projekt in Tansania, das Wälder für die indigene Bevölkerung, Wildtiere und das Klima schützt. Das Projekt sichert die Landrechte der lokalen Einwohner und verstärkt die Umsetzung kommunaler Landnutzungspläne durch Waldschutzaktivitäten. Die dadurch verringerte Abholzung verhindert, dass Treibhausgase in die Atmosphäre freigesetzt werden, und sichert die Lebensraumvernetzung für gefährdete Wildtiere zwischen dem Yaeda-Tal und dem Ngorongoro-Hochland.
Neues Impact-Label «Wirkt. Nachhaltig»
Zusätzlich verzichtet myclimate seit diesem Jahr auf die Begriffe «klimaneutral», «Kompensation» und ähnliches. Als erste gemeinnützige Klimaschutzorganisation im deutschsprachigen Raum bieten wir mit dem neu eingeführten Impact-Label «Wirkt. Nachhaltig» eine angepasste Auszeichnung für den privaten Klimaschutz an.
Klimaschutzmassnahmen erhalten und verstärken
All diese Punkte zeigen: qualitativ hochwertige Klimaschutzprojekte sind möglich und ein wichtiger Bestandteil der globalen Klimastrategie. Davon braucht es mehr. Die Reaktion auf den Artikel darf nicht sein, Klimaschutzmassnahmen herunterzufahren, sondern passende Klimaschutzpartner auszuwählen. Das weltweite Klimaschutzengagement muss nicht nur erhalten, sondern verstärkt werden. Dafür wollen wir unseren Beitrag leisten und mit ganzheitlichen Klimakonzepten unterstützen.