myclimate war in den zwei Wochen der Konferenz in Person seiner Politik- und Carbon Markets-Expert*innen Rosmary Millán de Kuhn, Franziska Heidenreich, Florian Goppel und Fabian Kohler sowie durch den Marketingverantwortlichen Kai Landwehr im Wechsel vor Ort. Nachdem wir die Klimakonferenz 2023 COP28 in Dubai nicht persönlich besucht hatten, wollten wir diese Konferenz wieder bewusst nutzen, um mit Projektpartnern, Regierungsvertreter*innen sowie weiteren Stakeholdern aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft in direktem Austausch zu treten.
Kompromiss zur Finanzierung – Ein Witz oder das Machbare?
Die Frage der Klimafolgenfinanzierung blieb bis zum Schluss das dominierende, und ungeachtet des berühmten, den Kompromiss (voreilig) absegnenden Hammerschlag ein global gesehen unzufrieden gelöstes Thema. Die Entwicklungsländer, welche unverschuldet schon heute am stärksten vom Klimawandel betroffen sind und für die eine nachhaltige Entwicklung die grösste Herausforderung darstellt, forderten 1,3 Billionen US-Dollar hauptsächlich von den Industrieländern als Unterstützung pro Jahr. Der Beschluss von Baku stellt final lediglich 300 Milliarden US-Dollar, jährlich bis 2035, in Aussicht. Das bedeutet zwar eine Verdreifachung der bisherigen Zusagen. Dennoch verbirgt sich hier viel Unsicherheit, vor allem was die Verbindlichkeit und die Beitragsgeber betrifft.
Das damit nur scheinbar und unzureichend gelöste Problem gefährdet wichtige Fortschritte und vor allem ein weltweit gemeinsames Bestreben, das Ziel des Pariser Abkommens zu erreichen. Ob man es wie die Vertreterin Nigerias als «Witz» bezeichnet oder als das, was halt eben machbar war (Deutschland Aussenministerin Annalena Baerbock) wertet, die Finanzierungslücke von Baku steigert die Dringlichkeit, alternative und sofort wirkende Finanzierungsmechanismen zu forcieren.
Artikel 6: Zwischen Fortschritt und Uneinigkeit
Geregelt werden könnten Klimamassnahmen und -finanzflüsse unter anderem durch die in Artikel 6 des Pariser Abkommens festgelegten Mechanismen – siehe unseren tiefergehenden Beitrag hierzu. Artikel 6 war von Beginn an eines der meistdiskutierten Themen der Klimakonferenz 2024 COP29. Für die marktbasierten Mechanismen in Artikel 6.2 und Artikel 6.4 konnten dabei Fortschritte erzielt werden.
- Artikel 6.2: Wir durften es in vielen Gesprächen und Side Events live miterleben: Bilaterale Abkommen schreiten voran. Länder wie Ghana, die Schweiz – eh schon Vorreiter auf diesem Gebiet -, Norwegen und Singapur präsentierten Fortschritte, während neue Partnerschaften – etwa zwischen Sambia und Schweden – geschlossen wurden. Dennoch bleibt dieser Mechanismus bis heute stark von Einzelstaateninteressen geprägt. Er ist in seiner Wirkung dementsprechend beschränkt und Fragen der Umsetzung und Qualitätssicherung bleiben immanent, wie zum Beispiel Carbon Market Watch analysiert.
- Artikel 6.4: Die Einigung auf zentrale Methodologien für ein globales Rahmenwerk für Kohlenstoffmärkte war ein zentraler Erfolg der Konferenz. Auch hier wird sehr genau zu verfolgen sein, inwieweit das Versprechen, sich an klaren wissenschaftlichen Prozessen zu orientieren und Transparenz und Qualität Vorschub zu leisten, auch tatsächlich umgesetzt werden wird. Mit dem nun Erreichten bietet der Mechanismus von Artikel 6.4 ein hohes Potenzial, glaubwürdige, integre Projekte zu fördern. Er ist im Vergleich zu den Projekten unter 6.2 zwar schwerfälliger, öffnet aber die Möglichkeit, Investitionen in nachhaltige Klimamassnahmen deutlich zu skalieren.
Carbon Markets 2.0: Ein neues Kapitel
Ein auf den Gängen und auf Panels diskutierter Begriff bei der Klimakonferenz 2024 COP29 war in diesem Zusammenhang auch der Begriff «Carbon Markets 2.0». Für die freiwilligen CO2-Märkte, im Vergleich in ihrer Wirkung heute immer noch überschaubar, wird eine Weiterentwicklung und eine neue Phase des Wachstums erwartet. Diese Märkte zielen auf eine komplementäre Wirkung. Climate Action ausserhalb eigener Wertschöpfungsketten ergänzen zielgerichtet die Reduktionsmassnahmen innerhalb derselben und ermöglichen schnelle, wirksame Beiträge zu den globalen Klimazielen.
Klimaprojekte können, wie es unter anderem in dem von myclimate mitausgerichteten Panel diskutiert wurde, in Form des «Contribution Models» glaubhafte und weit über die früher vorherrschende Kompensationslogik Beiträge des Privatsektors ermöglichen. Grundvoraussetzungen dafür, wie sie von unabhängigen Stellen wie dem Integrity Council of Voluntary Carbon Markets, ICVCM vorangetrieben werden, sind strengere und harmonisierte Standards und sowie mehr unabhängige Prüfungen.
Inwieweit die Entwicklungen zu Artikel 6.4 bei einer Skalierung der freiwilligen Märkte eine Rolle spielen werden, bleibt abzuwarten. Der Grundtenor war, dass mit neuen, stärkeren Märkten schneller und mehr zusätzliche Investitionen zum gemeinsamen Nutzen global gelenkt werden können. Während freiwillige Märkte flexibler und unmittelbarer agieren können, werden sie sicher zunehmend von den Lerneffekten und Standards regulierter Mechanismen wie Artikel 6.4 profitieren.
Chancen für den Privatsektor
Die Diskussionen auf der Klimakonferenz 2024 COP29 machten einmal mehr deutlich, dass der Privatsektor eine zentrale Rolle spielen muss, um die Finanzierungslücken zu schliessen. Carbon Markets bieten Unternehmen dafür eine Möglichkeit. Doch bleibt dabei die Qualität entscheidend: Nur Projekte, die sowohl transparent und als auch mit Augenmerk auf Integrität Umwelt- als auch Sozialstandards einhalten, können langfristig Vertrauen aufbauen.
Unser Fazit:» Ja, es ist viel zu tun, das aber alternativlos von Allen!»
Die Klimakonferenz (COP) lenkt jährlich den Blick auf die internationale Klimapolitik. Meist fokussiert sich die Berichterstattung auf das grosse Plenum und das Gezerre um eine, meist als unzureichend empfundene (was sie leider häufig auch ist) Abschlusserklärung. Nicht anders sieht es jetzt im Nachgang zu Baku aus.
Vor Ort haben wir allerdings vor allem eine Ernsthaftigkeit gespürt. Baku war in vielen Ebenen eine sogenannte Arbeits-COP. Die dort getroffenen Entscheidungen, aber auch die nicht erreichten Übereinkommen, sowie unsere vielen guten Gespräche und Kontakte bestärkten uns noch mehr, einen positiven Wandel aktiv mitzugestalten. UN-Klimasekretär Simon Stiell stellt völlig zurecht, wenngleich nicht wirklich überraschend, fest, dass «wir Baku mit einem Haufen Arbeit verlassen, die noch erledigt werden muss.» Wir sehen grosse Möglichkeiten, hier gemeinsam mit unseren Partnern einen Teil der Arbeit zu leisten. Allen, die das gleiche Ziel haben, reichen wir in Form von unseren Lösungen und unserem Know-how dabei die Hand!