- Man einigte sich auf einen neuen Ausgleichsfonds für Verluste und Schäden, dessen Ziel es ist, Finanzmittel für Länder bereitzustellen, die vom Klimawandel betroffen sind, um sie bei der Bewältigung des erlittenen Schadens zu unterstützen. Konkrete Vereinbarungen zur Finanzierung müssen noch festgelegt werden.
- Es wurde kein Ausstieg aus fossilen Brennstoffen beschlossen. Stattdessen enthält die abschliessende Resolution einen Hinweis auf «emissionsarme Energieträger», welche auch Gas beinhalten könnten. Die 2021 in Glasgow beschlossene Verpflichtung zu einer «stufenweisen Nutzungsverringerung» wurde beibehalten.
- Das 1,5-Grad-Ziel bleibt immer noch gesetzt, wurde aber nur knapp bestätigt. Es wurden keine grösseren neuen oder ehrgeizigeren Initiativen zur Senkung der weltweiten Emissionen bekanntgegeben.
- Fortschritte wurden bei verschiedenen technischen Richtlinien erzielt, um Artikel 6 zu operationalisieren, der die CO2-Märkte regelt, jedoch wurden einige offene Fragen auf die COP28 in Dubai vertagt.
- Die Frist für ein neues gemeinsames Finanzierungsziel zur Unterstützung von Klimaschutzmassnahmen (NCQG) wurde auf 2024 festgelegt, womit eine neue Zielvorgabe für die weltweite Klimafinanzierung auf der Basis des ursprünglichen Ziels von USD 100 Milliarden pro Jahr erreicht werden soll.
- Das weltweite Arbeitsprogramm für Anpassungen («Adaptation») soll 2023 wie geplant abgeschlossen werden; das Arbeitsprogramm zur Senkung der Treibhausgasemissionen («Mitigation») soll laut Planung 2026 abgeschlossen werden.
Die 27. Konferenz der Vertragsparteien (COP) des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC), war schon vor ihrem Beginn von Kontroversen geprägt. Mit der ägyptischen Regierung als Gastgeberin in Sharm El-Sheikh, zwischen der Wüste der Sinai-Halbinsel und den Küsten des Roten Meeres, war das Vorfeld der Konferenz von Bedenken über Menschenrechte, fragwürdigen Sponsoren, unklaren Erwartungen und einem Slogan überschattet, der von «Afrikanische COP» zu «Gemeinsam für die Umsetzung» geändert wurde. Die Konferenz fand vor dem Hintergrund nie dagewesener geopolitischer Spannungen, Energie- und Nahrungsmittelkrisen, weitverbreiteter Naturkatastrophen sowie wirtschaftlicher Rezession und Inflation statt. Doch der Klimawandel betrifft uns alle, und die COP27 war von Rekordzahlen bei den teilnehmenden Delegierten (nach Schätzungen 30 000 bis 45 000 Personen), unzähligen Veranstaltungen und lebendigen Pavillons geprägt, die Lösungen zur Anpassung an den Klimawandel und zur Senkung der Treibhausgasemissionen präsentierten. Es ist unmöglich, alles gleichzeitig zu tun: die Verhandlungen zwischen Regierungsparteien zu beobachten, die offiziellen Nebenveranstaltungen zu verfolgen, an Diskussionen und Foren in den Pavillons teilzunehmen und die Grüne Zone zu besuchen. Das Gesamtergebnis der COP27 blieb weit hinter dem zurück, was zur Verhinderung einer katastrophalen globalen Erwärmung erforderlich wäre. Hier eine Momentaufnahme der beschlossenen und nicht beschlossenen Punkte:
Wer zahlt für Verluste und Schäden?
Während sich die COP27 eigentlich auf die Umsetzung der Klimaschutzanstrengungen konzentrieren sollte, spiegelten nur wenige der Veranstaltungen in Sharm El-Sheikh die nötige Dringlichkeit, um bei den Klimaverpflichtungen wirklich voranzukommen wider. Abgesehen davon gab es von Anfang an leidenschaftliche Diskussionen über klimabedingte Verluste und Schäden. Interessenvertreter aus Staaten der Karibik und Afrikas stellten klar, dass sie verärgert seien – und dies zu Recht: Länder, die fast nichts zur globalen Erwärmung beigetragen haben, schultern die Hauptlast des Klimawandels in Form von wiederholten Naturkatastrophen. Ihre Forderungen nach einer Entschädigung treffen, seitdem das Thema vor 30 Jahren auf dem Erdgipfel von Rio zum ersten Mal angesprochen wurde, bei westlichen Staaten auf taube Ohren. Die COP27 endete nun mit der bahnbrechenden Verpflichtung, einen neuen Ausgleichsfonds für Verluste und Schäden für gefährdete Länder einzurichten. Der Beschluss war nicht nur historisch, sondern erfolgte auch in der letzten Minute – die Verhandlungen dauerten zwei Tage länger als geplant. Eine Einigung wurde schliesslich erzielt, nachdem die Europäische Union und andere Industrieländer nachgaben. Es bleibt jedoch abzuwarten, welche Bedeutung der neue Fonds gewinnen wird, da viele Fragen zu Finanzierungsbeträgen, Geldgebern und Verfahren offenblieben. Im nächsten Schritt wird ein Übergangsausschuss eingerichtet, um Empfehlungen zu Finanzierung, Kostenträgern und Zahlungsempfängern abzugeben. Es gab einige Diskussionen über Beiträge von China und anderen BRICS-Staaten, die gemäss UNFCCC nicht als Industrieländer gelten, jedoch seit 1992 einen bedeutenden Anteil der weltweiten Emissionen verursacht haben. Letztendlich sollen Beiträge dieser Länder zum Fonds auf freiwilliger Basis erfolgen.
Das 1,5-Grad-Ziel am Leben erhalten
Leider trägt der neue Ausgleichsfonds für Verluste und Schäden nichts zur Reduktion der weltweiten Emissionen bei, und im Vergleich zur COP26 wurden diesbezüglich keine Fortschritte gemacht. Während der endgültige Beschluss von Sharm El-Sheikh immer noch das 1,5-Grad-Ziel erwähnt und nicht ausdrücklich hinter die in Glasgow abgegebenen Zusagen zurückfällt, enthält er auch einen neuen Hinweis auf «emissionsarme Energieträger». Manche befürchten, dass darunter auch Gas verstanden werden könnte, wodurch die fortgesetzte Nutzung eines fossilen Brennstoffs eingeschlossen wäre und weitere Hindernisse für die Aufrechterhaltung des 1,5-Grad-Ziels errichtet würden. Die Rekordzahl von COP27-Teilnehmern aus der Öl- und Gasindustrie, darunter auch in Länderdelegationen, war ein Thema von Kontroversen, sowohl während als auch nach der Konferenz. Manche behaupteten, dass sie eine Rolle dabei spielten, um die Aufnahme eines Ausstiegs aus fossilen Brennstoffen in den endgültigen Beschluss zu verhindern. Andere hoben hervor, dass es wichtig sei, Interessensvertreter aus allen Sektoren und Branchen am Tisch zu versammeln.
Dennoch wurden Fortschritte beim globalen Ziel für Anpassungen erzielt, für das 2023 ein Arbeitsprogramm abgeschlossen werden soll, wie dies in Glasgow geplant wurde. Es wurden jedoch keine ehrgeizigeren Ziele bei den national festgelegten Beiträgen (NDC) oder dem Arbeitsprogramm zur Senkung der Treibhausgasemissionen beschlossen. Beides war ein Ziel des ägyptischen COP-Vorsitzes und wird nun wahrscheinlich erst 2026 abgeschlossen – viel zu spät, um einen bedeutenden Beitrag zur Begrenzung der weltweiten Emissionen zur Erreichung des 1,5 °C-Ziels zu leisten. Wie im Übereinkommen von Paris vereinbart wurde, soll ein neues gemeinsames Finanzierungsziel für die Unterstützung von Klimaschutzmassnahmen im Jahr 2024 festgelegt werden. Damit wird ein neues globales Finanzierungsziel auf der Basis des ursprünglichen Klimafinanzierungsziels von USD 100 Milliarden pro Jahr vereinbart, wobei die Bedürfnisse und Prioritäten der Entwicklungsländer berücksichtigt werden. Der Zugang zu Klimafinanzierung und Investitionen in den Klimaschutz für Entwicklungsländer wurde auf der COP27 ausführlich diskutiert, doch ergaben sich wenig konkrete Lösungen zur Verbesserung der bestehenden Finanzierungsinstrumente.
Artikel 6 – wie weiter?
Die Verhandlungen über Artikel 6 des Übereinkommens von Paris, der die Kohlenstoffmärkte regelt, kamen im Laufe der zwei Konferenzwochen regelmässig zum Stillstand. Dies zeigt sowohl einen Mangel an Übereinstimmung zwischen den Parteien als auch die Schwierigkeiten der Operationalisierung von in der Theorie vereinbarten Regeln. Zu den umstrittenen Punkten bezüglich Artikel 6.2, der die bilaterale Zusammenarbeit im Bereich der Emissionsverminderung regelt, zählt die Zulässigkeit der Übertragung von ausländischen Emissionsverminderungen (ITMO) sowie die Frage, ob es gestattet sein solle, diese rückgängig zu machen oder zu ändern. Die Positionen zwischen den verschiedenen Ländern wichen so deutlich voneinander ab, dass alle Hinweise auf die Rücknahme der ITMOSs aus dem endgültigen Text entfernt wurden. Auch diese Angelegenheit soll im kommenden Jahr erneut diskutiert werden. Damit wird zwar das Problem nicht gelöst, es werden jedoch auch keine Fortschritte bei der Operationalisierung von Artikel 6.2 verhindert. Jedoch ist die vonseiten der Regierungen ergriffene Initiative bis jetzt eingeschränkt, sowohl auf der Käufer- als auch auf der Verkäuferseite. Nur vier potenzielle Käuferländer haben bilaterale Vereinbarungen mit Partnerländern für die vorweggenommene Übertragung von ITMO gemäss Artikel 6.2 unterzeichnet: die Schweiz, Japan, Singapur und Südkorea. Etwa 11 Länder planen den Verkauf von ITMO. Während die Regeln und Vorschriften im Laufe der kommenden Jahre ins Reine gebracht werden sollen, lernen diese Länder gegenwärtig bereits «in der Praxis» und werden in der Lage sein, wichtige Erfahrungen weiterzugeben, die bei der Klärung des Prozesses hilfreich sind.
Betreffend Artikel 6.4, der das multilaterale Emissionshandelssystem gemäss dem Übereinkommen von Paris regelt, wurden zwei zentrale Fragen diskutiert: der Prozess für die Übertragung zertifizierter Emissionsreduktionseinheiten (CER) aus dem Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (CDM) der Vereinten Nationen zum neuen Mechanismus gemäss Artikel 6.4, sowie das Vorgehen bezüglich Emissionsreduktionseinheiten (ER), die nicht für die internationale Übertragung zugelassen wurden. Während in den Schlussentwürfen einige dieser Fragen – wenn auch nur vorläufig – beantwortet werden, gibt es eine lange Liste von Themen, die auf der COP28 erneut diskutiert werden müssen. Dies mag entmutigend klingen, doch es ist zu beachten, dass die CO2-Märkte selbst boomen. Trotz des regulatorischen Schwebezustands gibt es so viele Initiativen, dass es schwierig ist, den Überblick zu behalten. Wie viele Delegierte hervorgehoben haben, läuft der CO2-Markt ganz gut ohne technische Einzelheiten, und jedes zusätzliche Klimaschutzprojekt trägt zur Reduktion der weltweiten Emissionen bei.
Sonstige Diskussionen und Beschlüsse
Ausserhalb der Verhandlungsräume wurden eine Vielzahl von Themen diskutiert. Es sind bei Weitem zu viele, um sie alle zu erwähnen, doch auf einige, die unser Interesse geweckt haben, soll hier eingegangen werden:
- Landschaftspflege und naturbasierte Lösungen: Der Pavillon indigener Völker veranstaltete eine Reihe von leidenschaftlich geführten Diskussionsforen über Landschaftspflege und die Schwierigkeit für indigene Gemeinschaften, Zugang zu finanziellen Mitteln für den Naturschutz zu erhalten. Es wurde darauf hingewiesen, dass indigene Lebensweisen die ursprünglichen naturbasierten Lösungen sind und oft bereits nachhaltige Praktiken beinhalten.
- ENACT-Initiative: Der ägyptische COP27-Vorsitz, Deutschland und die Weltnaturschutzunion IUCN vereinbarten die Finanzierung und Förderung von naturbasierten Lösungen zur Bewältigung des Klimawandels, der Zerstörung von Land und Ökosystemen und des Verlusts an biologischer Vielfalt.
- Kosten der Übertragung von Emissionsminderungen: Da der Handel von Emissionszertifikaten in Artikel 6 näher definiert ist, haben Partnerländer von Klimaschutzprojekten die Idee aufgebracht, die Übertragung von ER an andere Länder in Anrechnung zu bringen. Während dieser Aufschlag oder diese CO2-Steuer als Investitionsquelle für andere Entwicklungsprioritäten dienen könnte, gab es keinen Konsens über den Betrag.
- Nahrungsmittelsysteme wurden zum ersten Mal auf die Tagesordnung der COP gesetzt (obwohl Nahrungsmittel selbst vor Ort knapp waren), und es gab eine Reihe lebhafter Diskussionen im neuen Nahrungsmittelsysteme-Pavillon. Dabei wurde die Verflechtung von Landwirtschaft und Klimawandel anerkannt, auch wenn keine konkreten Entscheide in den COP27-Beschluss aufgenommen wurden.
Leben in der Wüste
Wenn die Zukunft des Planeten auf dem Spiel steht, erscheinen alltägliche Unannehmlichkeiten trivial, aber wie schon Albert Einstein sagte: «Ein leerer Magen ist ein schlechter Ratgeber.» Wir wollen hier nicht näher auf den gut dokumentierten Nahrungsmittel- und Wassermangel an der COP27 eingehen, doch dieser wirkte sich sicher nicht positiv auf die allgemeine Stimmung aus und spiegelte grössere logistische Herausforderungen in Sharm El-Sheikh wider. Die Entfernungen zum und am Tagungsort waren lang und unübersichtlich, Konferenzsäle wurden von riesigen Klimaanlagen auf eisige Temperaturen gekühlt und Sicherheitsregelungen führten zur Unterdrückung von Protesten und zur Überwachung von Delegierten. Dies alles warf kein gutes Licht auf den COP-Vorsitz Ägyptens und harmonierte nicht mit einer weltweiten Konferenz, die für ein lebhaftes Engagement der Zivilgesellschaft bekannt ist. Lokale Hotels versuchten, den mit den COP27-Gästen gemachten Gewinn zu maximieren, was die Teilnahme für viele Beobachter von Nichtregierungsorganisationen und Delegationen aus einkommensschwachen Ländern unerschwinglich teuer machte. Unser eigenes Appartement, das im Januar gebucht wurde, wurde einen Monat vor der COP storniert und war dann schliesslich zum dreifachen Preis wieder verfügbar. Trotz der Herausforderungen blieben viele Aktivisten noch für die abschliessenden Verhandlungen vor Ort und trugen so dazu bei, die Delegierten zur Erzielung einer Übereinkunft zu drängen. Die Art und Weise, wie Ägypten die COP27 abwickelte, ist eine deutliche Erinnerung daran, dass die Bedingungen des Gastlandes bei einer Klimakonferenz wichtig sind: In einer künstlichen Stadt in der Wüste über Nachhaltigkeit zu sprechen, mutet seltsam an; über Klimagerechtigkeit in einem Land zu sprechen, in dem Aktivisten schikaniert und verfolgt werden, ist äusserst problematisch.
Wiedersehen in Dubai ...?
Der neue Ausgleichsfonds für Verluste und Schäden ist wirklich eine historische Entwicklung und könnte die zukünftige Zusammenarbeit zu Klimaverpflichtungen mit Ländern unterstützen, die zuvor das Gefühl hatten, bei reichen Ländern auf taube Ohren zu stossen. Gleichwohl hat die COP27 sich keine hohen Ziele bei den weltweiten Klimaschutzmassnahmen gesetzt und der Kampf, um das 1,5-Grad-Ziel zu halten, wird mit jeder Minute aussichtsloser. Die COP28 soll in Dubai stattfinden und als globale Bestandsaufnahme dienen. Es sind zweifellos weitere Massnahmen erforderlich, wenn wir für uns etwas Greifbares vorweisen wollen, wenn wir nächstes Jahr wieder in die Wüste fahren.