Gleich zu Beginn der Klimakonferenz 2024 (COP29) in Baku ist ein entscheidender Schritt in Richtung eines geregelten internationalen CO2-Marktes gelungen. Die verabschiedeten neuen Rahmenbedingungen für Artikel 6.4 des Pariser Abkommens zielen auf mehr Transparenz, Qualität und Verantwortlichkeit bei global handelbaren Emissionsreduktionen. Damit sind wichtige Voraussetzungen geschaffen, für ein wirkungsvolles marktbasiertes Instrument, das globale Klimamaßnahmen fördert und Finanzmittel in Projektländer lenkt.
Für die Akteure im Bereich von verpflichtenden CO2-Märkten, zum Beispiel Staaten, aber auch Regionen oder Industrieverpflichtungen wie CORSIA (Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation) bringt diese Entscheidung wichtige Neuerungen. Aber auch für Unternehmen kann sich durch Artikel 6.4 und in diesem Rahmen entstehende Projekte ein Handlungsfeld ergeben.
Was ist Artikel 6 des Pariser Abkommens? Bedeutung und Rolle im globalen Klimaschutz
Artikel 6 des Pariser Klimaschutzabkommens ermöglicht den Vertragsparteien international zusammenzuarbeiten, um ihre Klimaziele zu erreichen. Dabei geht es unter anderem darum, den Einsatz von marktbasierten Instrumenten zu regulieren, die zu einer effizienten Reduzierung der globalen Treibhausgasemissionen beitragen sollen. Artikel 6 besteht aus mehreren Teilen, wobei die Artikel 6.2 und 6.4 die zentralen Mechanismen beschreiben.
Was mit beiden Mechanismen gemeint ist:
- Länder können sich gegenseitig Emissionsreduktionen anrechnen.
- Es braucht hierzu weitreichende Transparenz, klare Bemessungsvorgaben und regelmäßige Berichterstattung, um sicherzustellen, dass CO₂-Einsparungen effektiv und zusätzlich sind.
- Doppelzählungen werden vermieden, indem Emissionsreduktionen in einem sogenannten «Corresponding Adjustment» festgehalten werden, und dadurch die eindeutige Ein- und Austragung in den jeweiligen Treibhausgasinventaren der Länder sichergestellt wird.
Die Mechanismen sollen die internationale Zusammenarbeit fördern, sodass Länder, die über ihre Klimaziele hinausgehen, ihre überschüssigen Emissionseinsparungen an Länder verkaufen können, die Schwierigkeiten haben, ihre eigenen Ziele zu erreichen.
Artikel 6.2 des Pariser Abkommens: Der bilaterale Ansatz für internationalen Klimaschutz
Artikel 6.2 ermöglicht es Ländern, auf freiwilliger Basis bilateral zusammenzuarbeiten, um sich bei der Erreichung ihrer nationalen Reduktionsziele (National Determined Contributions, NDCs) zu unterstützen. Hierbei können sie auf Grundlage bilateraler Vereinbarungen Emissionsreduktionen austauschen, die als «International Transferred Mitigation Outcomes» (ITMOs) bezeichnet werden. Die Schweiz geht unter Federführung des BAFU bei der Anwendung des Mechanismus wegweisend voran und setzt hohe Qualitätsanforderungen. Unter anderem sind Maßnahmen der biologischen Kohlenstoffbindung (Bodenkohlenstoff, Aufforstung) nicht zugelassen und die Anrechenbarkeit von unterdrückter Nachfrage (suppressed demand) ist stark eingeschränkt. Daraus entstehende, nachgewiesene Emissionsreduktionen rechnet sich die Schweiz nur bis 2030 an.
Artikel 6.4: Globaler Marktmechanismus – Paris Agreement Crediting Mechanism
Der Paris Agreement Crediting Mechanism (PACM) schafft unter Aufsicht der Vereinten Nationen einen zentralen globalen Mechanismus für den Handel von Emissionsgutschriften, die von Staaten und auch privaten Akteuren genutzt werden können.
Wesentliche Punkte:
- Dieser Mechanismus ermöglicht es, neue Projekte zur Emissionsreduktion oder CO₂-Entfernung zu entwickeln, die dann in Form von Zertifikaten gehandelt werden können.
- Er wird zentral unter der Aufsicht der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) verwaltet.
- Die Projekte müssen nachweislich zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen umsetzen, die ohne die Finanzierung durch den Mechanismus nicht möglich gewesen wären.
- Es werden strenge Qualitätsstandards festgelegt, um sicherzustellen, dass diese Projekte tatsächlich zu dauerhaften Emissionsreduktionen führen.
- Projekte sollen einen Beitrag zu den Zielen für eine nachhaltige Entwicklung (SDGs) leisten und müssen darüber berichterstatten. Klare Standards für Beschwerdemechanismen erlauben Einsprache bei mangelhafter Umsetzung.
Kontext: Beide Artikel sind auch relevant für den freiwilligen CO₂-Markt und für Unternehmen, die klimaneutrale Ziele anstreben. Die Mechanismen sollen - trotz noch vorhandenen Unklarheiten wie z.B die Anrechnung an Compliance Ziele, auch in der EU und der Schweiz - es nicht nur den Staaten, sondern auch Unternehmen ermöglichen, Emissionsreduktionen zu finanzieren und die resultierenden Zertifikate zur Erreichung ihrer Klimaziele zu verwenden.
Warum Artikel 6.4 entscheidend für den Klimaschutz ist
Der Artikel 6.4 des Pariser Abkommens soll es Ländern und Unternehmen ermöglichen, Emissionsreduktionen effizienter zu erreichen, indem sie sich an einem internationalen Handel mit Emissionsgutschriften beteiligen.
Das Regelwerk, mit dem dieser Mechanismus umgesetzt werden sollte, wurde aber bislang heftig diskutiert. Es stand in der Kritik, dass frühere Regelungen in Bezug auf Transparenz und Qualität nicht ausgereift waren. Der aktuelle Beschluss auf der COP29 macht hier einen großen Schritt vorwärts, so dass glaubwürdige Märkte mit integren Klimamaßnahmen entstehen können.
Die vom Supervisory Body beschlossenen Regelungen zielen auf folgende Bereiche ab:
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Erhöhte Transparenz und Berichterstattung: Alle Projekte, die unter Artikel 6.4 registriert sind, müssen detaillierte Informationen zur Herkunft, Überwachung und Verwendung der Emissionsgutschriften offenlegen. Dies soll verhindern, dass Zertifikate mehrfach gezählt oder unzureichend überwacht werden.
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Strenge Qualitätsanforderungen für Emissionsreduktionen: Projekte müssen nachweisen, dass sie zusätzliche und dauerhafte Emissionsreduktionen erzielen, die ohne das Projekt nicht möglich gewesen wären. Dies wird durch regelmäßige Audits und Nachweise über die tatsächliche Wirkung sichergestellt.
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Verantwortung über den gesamten Lebenszyklus: Auch nach der Ausgabe von Emissionszertifikaten bleibt die Verantwortung für deren Wirkung bestehen. Dies schließt Maßnahmen zur Vermeidung von Reversals ein, also der nachträglichen Freisetzung von zuvor eingespartem CO₂.
Diese Maßnahmen wurden mit dem Ziel verabschiedet, das Vertrauen in den Marktmechanismus zu stärken und sicherzustellen, dass die Emissionsreduktionen real, messbar und dauerhaft sind.
Warum die neusten Beschlüsse auch für Unternehmen wichtig sind
Für Unternehmen, die ihre Klimaziele innerhalb des Beyond Value Chain Mitigation (BVCM)-Mechanismus erreichen wollen, ändert sich vordergründig nichts. Allerdings bieten die neuen Regelungen eine Basis für das Entstehen von zertifizierten Reduktionsmaßnahmen in hoher, weil staatlich, zum Teil zweifach («transferring and receiving countries»), geprüften, Qualität und Integrität. Die Projekte sollen von der Idee her «high hanging fruits» in «transferring countries» (also den Ländern, in denen die Projekte umgesetzt werden) angehen, um mitunter Maßnahmen zu unterstützen, die zum Erreichen der eigenen Länderziele nicht im Vordergrund stehen. Daraus resultierende handelbare Klimaschutznachweise könnten in der Zukunft durchaus für Unternehmen, die an glaubwürdigen Klimaschutz außerhalb der eigenen Wertschöpfungskette interessiert sind, neue Möglichkeiten eröffnen.
Für den Verpflichtungsmarkt, in dem myclimate ebenfalls aktiv ist, sind die neuen Regulierungen eine institutionalisierte und somit vertrauenswürdige Grundlage für Investitionen in hochwertige Projekte. Essentiell für den Erfolg des Markts wird es sein, dass die Balance zwischen Anforderungen aus Politik und Zivilgesellschaft und für Projektentwickler umsetzbaren und Investoren attraktiven Bedingungen gefunden wird.
Das Vertrauen in CO2-Märkte wurde in den letzten Jahren durch mediale Berichterstattung über unzureichende Projektstandards und Greenwashing-Vorwürfe geschwächt. Die neuen Regelungen sollen nun sicherstellen, dass nur qualitativ hochwertige Projekte, die nachweislich positive Auswirkungen auf die Umwelt haben, zertifiziert werden.
Was bringt die Zukunft?
Die Beschlüsse der COP29 zu Artikel 6 können einen bedeutenden Schritt darstellen, um zukünftig globale CO2-Märkte zu regulieren und sicherzustellen, dass Klimaschutzprojekte nachweislich wirken. Wichtig ist, dass in den finalen Verhandlungen zur Ausgestaltung sowohl die Forderungen nach Zugänglichkeit, Transparenz und Qualität, wie sie u.a. am ersten Tag von Carbon Market Watch artikuliert wurden, als auch der Wunsch nach umsetzbaren Regeln von Seiten der Projektentwickler ausreichend berücksichtigt werden. Mit den neuen Regelungen wird der Kohlenstoffmarkt transparenter und verlässlicher – eine Entwicklung, die sowohl der Umwelt als auch der Wirtschaft zugutekommt.
myclimate: Pionier im Einsatz für strengere Marktregulierungen
Bereits vor den neuen Beschlüssen hat sich myclimate als eine der ersten Organisationen stark für strengere Kontrollen und mehr Transparenz im CO2-Markt eingesetzt. Kai Landwehr, Co-Geschäftsführer von myclimate, betonte in einem Artikel der Neuen Zürcher Zeitung, dass staatlich organisierte Kontrollinstanzen notwendig seien, um unseriöse Anbieter aus dem Markt zu drängen und die Glaubwürdigkeit des Marktes zu sichern.
myclimate setzt bereits jetzt auf höchste Qualitätsstandards und unterstützt Unternehmen dabei, sich im Klimaschutz zu engagieren, ohne Kompromisse bei der Integrität der Projekte einzugehen.
Lesen Sie dazu: Was muss ein Unternehmen bei der Auswahl wirksamer Klimaschutzprojekte beachten?
Quellen:
carbonmarketwatch.org/publications/article-6-carbon-markets-at-cop29/
https://www.nzz.ch/schweiz/nach-skandalen-und-kritik-der-wissenschaft-klimakompensierer-fordern-kontrolle-durch-den-bund-ld.1850906
unfccc.int/process-and-meetings/the-paris-agreement/article-64-mechanism