«Climate Talk mit Katja Diehl»

In unserer Interviewreihe «Climate Talk» sprechen wir mit Menschen, die sich leidenschaftlich für den Klimaschutz engagieren und zum Umdenken inspirieren. In diesem Gespräch gewährt uns Katja Diehl einen Einblick in ihre Arbeit für eine nachhaltige Mobilität und erklärt, was sie persönlich antreibt, sich intensiv mit der Zukunft der Mobilität auseinanderzusetzen. Welche politischen Maßnahmen sind notwendig, um den Verkehr klimafreundlicher zu gestalten? Und wie können wir den notwendigen Wandel vorantreiben? Ein Gespräch über Visionen, Herausforderungen und die Dringlichkeit einer echten Transformation im Verkehrswesen.

Was genau verstehst du unter dem Begriff Mobilitätswende?

Die Mobilitätswende in Deutschland ist aus meiner Sicht noch nicht eingetreten. Wenn es wirklich zu einem Wandel käme, würden wir einen deutlichen Rückgang der Zulassungszahlen und des Autobestands erleben – doch das Gegenteil ist der Fall. Elektroautos, insbesondere große SUVs mit schweren Batterien für hohe Reichweiten, stellen meiner Meinung nach den falschen Ansatz dar. Vollelektrische Fahrzeuge unterstützen uns zwar auf dem Weg zur Energieautarkie, dennoch bleiben viele andere Probleme bestehen. Für mich bedeutet Mobilitätswende vor allem, den Menschen eine Wahlfreiheit zu bieten: Man kann Auto fahren, muss es aber nicht. Dafür braucht es gut ausgebaute Radwege und ein attraktives Bahnangebot. Viele Menschen sind sich ihrer Autoabhängigkeit nicht bewusst und hinterfragen sie nicht, was ich für bedenklich halte.

 

Du steckst so viel Herzblut in die Sache. Was treibt dich persönlich an und was ist der Grund dafür, dass du dich mit dem Thema so intensiv beschäftigst?

Was mich antreibt, ist eine tief verwurzelte Ader für Gerechtigkeit. Ich kann Ungerechtigkeit einfach nicht ertragen, insbesondere gegenüber den Menschen, die in der Mobilität häufig übersehen werden, wie Kinder, ältere Menschen oder Menschen mit Behinderungen. Die aktuelle Mobilitätspolitik, die vor allem den Autobau und seine Arbeitsplätze schützt, ignoriert diese sozialen Ungleichgewichte. Viele Menschen, die in der Autoindustrie arbeiten, sagen, dass ihnen das Produkt an dem sie arbeiten egal ist, solange sie ein gutes Gehalt und einen sicheren Job haben. Das ist für mich schwer nachvollziehbar. Warum werden außerdem die 900.000 Arbeitsplätze im Autobau höher priorisiert und gewichtet als die 5,3 Millionen in der Pflege? Die systemrelevante Bedeutung der Mobilität wird häufig verkannt. Hier braucht es eine andere Vorstellung von Wirtschaft, die nicht nur auf Wachstum und Kapitalismus basiert, sondern das Gemeinwohl und die Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt stellt.

 

Gibt es besondere Ereignisse, die dich da geprägt haben oder haben?

Besonders prägend sind für mich die täglichen Schicksale von durchschnittlich acht Verkehrstoten und tausend Verletzten. Diese Zahlen werden oft übersehen, während andere, kleinere Einzelfälle mehr Aufmerksamkeit erhalten. Dabei ist der Straßenverkehr eine der größten Ursachen für Umweltverschmutzung, gesundheitliche Probleme und sogar Todesfälle. Feinstaub, Hitzeinseln und gesundheitliche Auswirkungen wie Asthma sind direkte Folgen des Verkehrs und betreffen vor allem die Schwächeren in unserer Gesellschaft. Viele Betroffene nehmen diese Ungerechtigkeit nicht wahr, da sie in ein System eingebunden sind, das ihren Alltag bestimmt. Doch genau hier müssen wir ansetzen – Ungerechtigkeit muss benannt werden, um etwas dagegen zu tun.

 

Was hindert uns deiner Meinung nach an einer zukunftsgerechten Mobilität? Was hält uns davon ab es wirklich umzusetzen?

Ein zentrales Hindernis ist die starke Lobbyarbeit der Autoindustrie und die enge Verflechtung mit der Politik. Ein aktuelles Beispiel dafür ist, dass Volkswagen weiterhin Autos mit Verbrennermotoren verkaufen will, obwohl sie ursprünglich einen früheren Ausstieg angekündigt hatten. Das Ziel, Autos für den privaten Gebrauch zu verkaufen, bleibt bestehen, während die Idee von Carsharing und alternativen Mobilitätslösungen wieder in den Hintergrund gerückt ist. Auch das Thema Arbeitsplätze wird oft instrumentalisiert. Zwar wird der Arbeitsplatzverlust in der Autoindustrie betont, aber die Bedeutung der 5,3 Millionen Arbeitsplätze im Pflegebereich wird weit weniger anerkannt. Die Politik hat versäumt, den Verkehr als Teil eines ganzheitlichen Klimaschutzplans zu begreifen. Stattdessen werden fossile Subventionen aufrechterhalten, was den Wandel hin zu nachhaltiger Mobilität erschwert.

 

Was für politische Maßnahmen sind notwendig, damit der CO2-Ausstoß im Verkehr deutlich reduziert werden kann?

Die Ampelregierung hat es versäumt, fossile Autosubventionen abzuschaffen. Es gibt nach wie vor zahlreiche Vorteile, einen Verbrenner zu fahren, etwa durch das Dienstwagenprivileg, die Pendlerpauschale und das Dieselprivileg. Diese Anreize hindern viele Menschen daran, auf Elektrofahrzeuge umzusteigen. Ein Beispiel für eine zielführende Maßnahme wäre, Dienstwagenförderungen ausschließlich für vollelektrische Fahrzeuge anzubieten, wie es in Luxemburg bereits der Fall ist. Zudem braucht es in den Städten mehr Flächengerechtigkeit. Das bedeutet, dass das Autofahren weniger bequem gemacht werden muss, nicht durch Verbote, sondern durch bessere Radwege und eine attraktive öffentliche Verkehrsinfrastruktur. Wenn ich durch Hamburg fahre, habe ich kaum eigene Radwege, obwohl ich als Bürger*in laut Grundgesetz ein Recht auf Unversehrtheit habe. Dieses Recht wird mir jedoch verwehrt, nur weil ich mich dafür entscheide, mit dem Fahrrad statt dem Auto unterwegs zu sein. Der Verkehrssektor hat bei der Emissionsreduktion versagt, während andere Sektoren wie die Energiebranche bereits große Fortschritte erzielt haben. Es ist an der Zeit, auch im Verkehrssektor den Wandel hin zu erneuerbaren Energien und nachhaltigen Mobilitätslösungen voranzutreiben.

 

Im Mai kommt ein Kinderbuch von dir raus. Erzähl uns etwas darüber!

Die Idee für das Kinderbuch hatte ich schon, seitdem ich selbstständig bin. Als ich sie den Verlagen vorstellte, stieß ich auf wenig Verständnis. Die meisten wollten mir ein Wimmelbuch oder Ausmalbuch vorschlagen, doch mein Ziel war es, eine Geschichte zu erzählen. Es geht um ein Kind aus der Zukunft, das auf einem Tablet die Gegenwart sieht und Fragen zu der Welt stellt, die es nicht versteht. In der Zukunft leben die Menschen in einer nachhaltigen Stadt mit Gemeinschaftsgärten, einer kleinen Landwirtschaft und ohne Autos vor den Häusern. Das Kind fragt sich, was es mit den Garagen auf sich hatte und warum Menschen früher so viele Autos besaßen. Das Buch soll Kinder und Erwachsene zu Gesprächen anregen, vor allem über alternative Mobilität und unsere Vorstellung von Zukunft. Infokästen im Buch erklären zudem Themen wie Bodenversiegelung und Klimafolgen. Ich erhoffe mir, dass das Buch Familien dazu anregt, über die Mobilität von morgen nachzudenken.

 

Hast du jemanden im Kopf, der/die gut in unsere Interviewreihe passen würde? Wen würdest du uns empfehlen?

Ich kann Maren Urner sehr empfehlen. Sie ist Neurowissenschaftlerin und hat in meinen Augen eine einzigartige Fähigkeit, zu erklären, warum Menschen sich gegen Transformation wehren. Sie verdeutlicht, dass Angst ein Zustand ist, der uns daran hindert, Visionen zu entwickeln. In ihren Erklärungen geht es oft darum, wie unser Gehirn auf Veränderungen reagiert und wie wir diesen Mechanismus überwinden können. Sie hat auch in mehreren Podcast-Folgen ihre Perspektiven geteilt, und ich denke, sie könnte einen sehr wertvollen Beitrag zu eurer Interviewreihe leisten.

 

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